APA/APA/NHM Wien/A. Schumacher

Experten hinken bei Edelstein-Fälschungen "immer hinterher"

Die Gier ist ein Hund: Das musste schon Kaiser Franz I., der Mann Maria Theresias, erfahren, als er mit einem Brennspiegel Sonnenlicht bündelte und so versuchte, kleine Diamanten zusammenzuschmelzen. Das Ergebnis war allerdings kein größerer, wertvollerer Kristall, sondern verkohlte Diamanten, die sich in Graphit umgewandelt hatten. Zu sehen sind die Versuchsergebnisse im Naturhistorischen Museum Wien, wo man heute mit High-Tech-Methoden Edelstein-Fälschungen entlarvt.

Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen gilt als Begründer der Edelsteinsammlung des Naturhistorischen Museums (NHM): Er kaufte um das Jahr 1750 vom Naturalgelehrten Jean de Baillou 35 Laden mit Edel- und Ringsteinen und legte damit den Grundstein für die heute "zu den historisch bedeutendsten Edelsteinsammlungen in Europa" zählende Kollektion, wie deren Leiterin, Vera Hammer, am Mittwoch vor Journalisten erklärte. Rund 2.000 Objekte davon sind in den Schauräumen ausgestellt - es ist nur ein Bruchteil von den mehreren 100.000 Edel- und Schmucksteinen des Museums.

Für Hammer ist es "schön, dass der Misserfolg des kaiserlichen Versuchs aufbewahrt wurde und heute gezeigt werden kann, ist dies doch ein wichtiger Punkt der Wissenschaftsgeschichte". Schließlich sei damit gezeigt, dass Diamant brennbar ist. Quasi in der Tradition Kaiser Franz I. gibt es auch heute noch zahlreiche Versuche, mit raffinierten Methoden weniger wertvolle Steine aufzuwerten oder Edelsteine zu fälschen. Kristalle werden thermisch behandelt, unter Druck gesetzt, bestrahlt, winzige Fehler ausgebessert, usw.

"Sie können heute jeden Edel- und Schmuckstein nachmachen", sagte Hammer. Die Methoden für Behandlungen und Fälschungen würden immer raffinierter, "die Leute, die Edelsteine behandeln, haben High-Tech-Einrichtungen, wir hinken da immer hinterher", betonte die Expertin, deren Haus seit rund 70 Jahren einen Bestimmungsservice anbietet. 15 verschiedene Tests seien notwendig, bevor man sicher sein und ein schriftliches Gutachten ausstellen könne. Der Preis für ein solches "gemmologisches Gutachten" beginne bei 100 Euro für relativ einfache Methoden.

Dabei werden zum Beispiel Steine unter UV-Licht oder mit einer - im 19. Jahrhundert am NHM entwickelten - Speziallupe (Dichroskop) untersucht, in einem Raman-Spektrometer mit einem Laser durchleuchtet und das dabei entstehende optische Spektrum mit einer großen Datenbank verglichen, oder mittels Lichtmikroskop analysiert. Der Vorteil des NHM ist, dass auch Großgeräte zur Analyse zur Verfügung stehen, die es in Privatlabors üblicherweise nicht gibt. Zudem kauft das Haus bewusst auch Fälschungen, um sie für Vergleiche zur Verfügung zu haben.

Zu den Spezialgeräten zählen etwa ein Mikro-CT, der genauso wie die Computertomographie in der Medizin mittels Röntgenstrahlen Schichtaufnahmen des Inneren eines Objekts in hoher Auflösung liefert. Damit kann man etwa eine Natur- von einer Zuchtperle unterscheiden. Mittels Röntgendiffraktometer lässt sich etwa Jade von anderen grünen Steinen unterscheiden, mit dem Rasterelektronenmikroskop können selbst feinste, künstlich aufgefüllte Risse in Edelsteinen sichtbar gemacht werden. "In Madagaskar wurde vor einiger Zeit ein großes Rubin-Vorkommen entdeckt, doch die Steine wiesen alle Risse auf, die mit Bleiglas aufgefüllt wurden", erzählte Hammer. Mit herkömmlichen Methoden sei dies praktisch nicht nachzuweisen, erst im Rasterelektronenmikroskop sei diese Manipulation zu sehen gewesen.

Angesichts dieser Ausstattung und der Expertise würden nicht nur Privatkunden, sondern auch Auktionshäuser oder Behörden die Dienste der gemmologischen Analyse im NHM in Anspruch nehmen. Wenn Privatkunden mit Stücken aus der Schmuckschatulle der Erbtante zur Begutachtung kommen, sei ihr bewusst, "dass ich viele Leute enttäuschen muss". Beim Schmuckkauf empfiehlt die Expertin, bei seriösen Händlern zu kaufen und auch ein entsprechendes Zertifikat zu verlangen.

(S E R V I C E - http://www.nhm.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, der im 18. Jahrhundert versuchte, Diamanten zu verschmelzen, legte den Grundstein für die bedeutende Edelsteinsammlung des Naturhistorischen Museums Wien, die heute rund 2.000 Objekte ausstellt.
  • Moderne Fälschungsmethoden von Edelsteinen sind so fortschrittlich, dass das NHM Wien mit High-Tech-Geräten wie Mikro-CT und Rasterelektronenmikroskop arbeitet, um Fälschungen zu entlarven, wobei 15 Tests für ein Gutachten nötig sind.
  • Das NHM bietet seit 70 Jahren gemmologische Analysen an, die ab 100 Euro kosten, und wird von Privatkunden, Auktionshäusern und Behörden genutzt; beim Schmuckkauf wird ein Zertifikat von seriösen Händlern empfohlen.