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Europas Gesundheitssystem laut WHO weniger widerstandsfähig

Europas Gesundheitssystem ist "nicht mehr so widerstandsfähig gegen Katastrophen wie früher". Das betonte WHO-Europadirektor Hans Kluge am Mittwoch beim European Health Forum Gastein (EHFG). Er nannte Folgen der Pandemie wie die Krise beim Gesundheitspersonal und forderte bessere Arbeitsbedingungen und mehr Digitalisierung. Es gebe aber auch gute Nachrichten, sagte der Gesundheitsminister von Malta, Christopher Fearne. "Die europäische Bevölkerung war nie gesünder als heute."

Fearne erwähnte etwa die hohe Lebenserwartung und die Gesunde Lebenserwartung (Lebensjahre ohne Einschränkung durch Krankheit, Anm.) in Europa. Die schlechte Nachricht sei, "das Risiko alles zu verlieren war noch nie so groß". Die Krise beim Gesundheitspersonal sei besorgniserregend und sogar in der EU gebe es große Unterschiede beim Zugang zum Gesundheitssystem, berichtete der aktuell am längsten amtierende Gesundheitsminister eines EU-Landes bei der Pressekonferenz in Bad Hofgastein im Salzburger Pongau.

"Wir können fast mathematisch vorhersagen, wer in der nächsten Krise als erstes sterben wird", sagte Kluge. Das seien zunächst Menschen mit mehreren Grunderkrankungen, danach die Jüngsten und Ältesten in der Bevölkerung und dann jene Menschen mit dem schlechtesten Zugang zu Ressourcen. "Zum ersten Mal in der jüngeren Vergangenheit haben wir in den reichsten Ländern unserer Region mehr und mehr Kinder, die am Abend mit leerem Magen ins Bett gehen", warnte er vor steigender Armut.

"In der Europaregion fehlen fast 1,8 Millionen Gesundheitsbedienstete und die Zahlen steigen weiterhin", sagte der per Video zugeschaltete WHO-Europadirektor. In manchen Ländern gebe es nur 2,4 Ärztinnen und Ärzte je 1.000 Einwohner, das sei "mehr als eine Lücke". Bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten gehalten werden. Für einen attraktiveren Beruf brauche es bessere Arbeitsbedingungen mit Rücksicht auf die Familien der Betroffenen sowie gute Ausbildung. Der Experte empfahl zudem Unterstützung für die Angestellten durch "neue digitale Werkzeuge" und die "Rekonfigurierung davon, wie Gesundheitsleistungen angeboten werden".

"Wir haben Reformen gestartet und weitere auf den Weg gebracht", verwies EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Nachmittag bei einer Diskussionsrunde beispielsweise auf "einen der weltweit ambitioniertesten Pläne zur Krebsbekämpfung". Es sei aber "definitiv mehr zu tun". Auch die virtuell zugeschaltete EU-Spitzenpolitikerin unterstrich die Notwendigkeit von gut ausgebildetem Gesundheitspersonal und mehr Digitalisierung. Ein widerstandsfähiges System sei wichtig für eine Antwort auf die nächste Gesundheitskrise. Dieses müsse für alle leistbar und zugänglich sein, betonte Kyriakides.

Ausgaben für das Gesundheitssystem sollten nicht als "Kosten" gesehen werden, sondern als "Investitionen", betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bei dem Plenum mit Kyriakides. "Unsere Budgets in Europa und auf nationaler Ebene werden unter Druck kommen." Ohne diese Investments würde zwar einerseits Geld gespart, andererseits entsteht dann durch ein ineffizientes Gesundheitsservice "ein dramatisches Volumen an zusätzlichen Ausgaben", warnte Rauch.

Die Generaldirektorin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission, Sandra Gallina, hatte bei der Pressekonferenz zuvor das österreichische Gesundheitssystem im internationalen Vergleich als gutes Beispiel hervorgehoben, aber die hohen Preise, die hierzulande für Medikamente in Spitälern gezahlt würden, kritisiert. In Europa brauche es mehr Investitionen und eine bessere Planung für die Zukunft. Das System müsste widerstandsfähiger werden. Weiters forderte Gallina eine "Dekarbonisierung des Gesundheitssystems", das sonst selbst Krankheiten verursachen würde, sprach die Vertreterin der EU-Kommission - ebenso wie Kluge und Fearne - die Klimakrise als Problem für die Gesundheit an.

"Wir besuchen jeden Mitgliedsstaat alle drei Jahre, um uns anzusehen, wie gut vorbereitet er ist", berichtete die Direktorin vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), Andrea Ammon. Daraus werden Orientierungshilfen und Unterstützung erarbeitet, "die mehr als nur einem Land helfen". Auch die Digitalisierung und Datenvernetzung würden vorangetrieben, sagte die ECDC-Direktorin.

Noch bis Freitag kommen beim 26. European Health Forum Gastein europäische Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Gesundheitsbranche zusammen. 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind an Ort und Stelle in Bad Hofgastein registriert, rund 1.000 weitere verfolgen die Diskussionen online. Hauptthema ist die Krise des Gesundheitssystems samt nachwirkender Schockwellen und Erschöpfung des Personals durch die Corona-Pandemie. Themen von Sitzungen sind etwa auch Antibiotikaresistenzen, der Medikamentenengpass und mögliche Warnhinweise auf alkoholischen Getränken in der EU.

( S E R V I C E - European Health Forum Gastein (EHFG) von 26. bis 29. September als hybride Veranstaltung unter dem Titel "Health systems in crisis. Countering shockwaves and fatigue" - www.ehfg.org )

ribbon Zusammenfassung
  • Das betonte WHO-Europadirektor Hans Kluge am Mittwoch beim European Health Forum Gastein (EHFG).
  • Er nannte Folgen der Pandemie wie die Krise beim Gesundheitspersonal und forderte bessere Arbeitsbedingungen und mehr Digitalisierung.
  • Es sei aber "definitiv mehr zu tun".
  • Ein widerstandsfähiges System sei wichtig für eine Antwort auf die nächste Gesundheitskrise.
  • Dieses müsse für alle leistbar und zugänglich sein, betonte Kyriakides.