Willi/Anzengruber-"Duell" fast in Eintracht
Fast wortgleich sprach hingegen beide von einem "knappen" bzw. "engen" Stichwahlrennen, das am 28. April entschieden wird. Willi gab bei der Konfrontation im "Haus der Musik" - wie schon in den Tagen seit der Gemeinderatswahl am Sonntag - den Tatendurstigen, der am liebsten sofort loslegen würde. Die, die "Dinge blockiert" hätten, seien abgewählt worden, nun sei er "optimistisch, dass ich weiter Bürgermeister sein kann" und dann mit einer "stabilen Fortschrittskoalition" regieren werde. Diese Koalition sei eine Mitte-Links-Koalition aus Grünen, der Anzengruber-Gruppe und der SPÖ, die zusammen auf 22 von 40 Gemeinderatsmandate kommt. "Eine stabile Mehrheit", so Willi über die derzeit einzig wahrscheinliche Variante, da die Liste Fritz nicht in eine mögliche Mitte-Rechts-Viererkoalition mit Anzengruber, "das Neue Innsbruck" und der FPÖ eintreten will. Man brauche eine Koalition, die "gut zusammenhält", erklärte der Grünen-Stadtchef, der aufgrund einer in die Luft geflogenen Koalition über weite Strecken der vergangenen Periode mit dem "freien Spiel der Kräfte" und viel Streit regierte.
Anzengruber gab indes einmal mehr zu verstehen, dass er es langsamer angehen und sich nicht von vornherein festlegen will. Deshalb schlug er auch die Einladung Willis zu Sondierungen bereits vor der Stichwahl aus: "Es ist nicht demokratisch, bereits davor Gespräche zu führen. Es ist die Aufgabe des gewählten Bürgermeisters, dann diese Gespräche zu führen." Auf die von Willi anvisierte Mitte-Links-Dreierkoalition ließ er sich jedenfalls nicht festnageln - und blieb kryptisch. Der "Wählerwille sei da", er wolle nun Bürgermeister werden, und dann "mit allen reden", in der Reihenfolge der Stärke der Parteien. Es gehe vor allem um eine "breite Mehrheit im Gemeinderat und im Stadtsenat" und "durchaus um eine Koalition darüber hinaus". Er grenze niemanden aus, sei nur nicht "für Extreme, auch ideologisch" zu haben.
Willi machte darüber hinaus klar, dass er der über einen Stadtsenatssitz verfügenden FPÖ weiter nicht Ressortverantwortung übergeben will. Anzengruber gab sich hier offener und wollte das nicht ausschließen. Konkreter wurde er übrigens in einem Interview mit dem "Kurier", in dem er ebenfalls auf Willi traf. "Wenn jemand konstruktiv arbeitet und das Vertrauen der Bevölkerung bekommen hat, soll man mit dem auch reden. Und wenn er reif dafür ist, zum Wohle der Stadt unparteiisch und uneigennützig zu agieren, soll man sich dem nicht verwehren", meinte er zu einer möglichen Ressortverantwortung für die Freiheitlichen.
Während der gesamten Diskussion verzichtete Anzengruber großteils auf Angriffe auf Willi. Nur einmal meinte er in Bezug auf leistbares Wohnen zum Stadtchef: "Am Abend wird der Faule fleißig". Der grüne Bürgermeister ging ebenfalls äußerst sparsam mit Attacken um, äußerte halb im Scherz, dass man auch gleich im nächstgelegenen Lokal mit Koalitionsverhandlungen beginnen könne. Zumindest eine kleine Attacke auf Anzengruber ließ sich Willi aber nicht nehmen: Dieser gebe sich oft nur parteifrei und tue so, als habe er mit der Politik der ÖVP in den vergangenen Jahren nichts zu tun: "Dabei war auch er Teil der ÖVP und hat Dinge blockiert, die wir sonst umgesetzt hätten."
Die offenbare Kehrtwende der ÖVP bzw. des "Neuen Innsbruck" bezüglich seiner Person in Form einer Wahlempfehlung bezeichnete Anzengruber übrigens als "skurril". Die Trennung von seiner politischen Heimat sei ein "Befreiungsschlag" gewesen, er sei zwar Mitglied des ÖVP-Wirtschaftsbundes, aber "kein Parteimitglied, unabhängig und parteifrei".
In inhaltlicher Hinsicht verlief die Konfrontation unterdessen ebenfalls großteils einträchtig, unüberbrückbare Differenzen waren nicht auszumachen. Willi legte den Schwerpunkt einmal mehr auf leistbares Wohnen, öffentliche, klimagerechte Raumgestaltung und "Verkehrsberuhigung". Er propagierte unter anderem - wie bereits im gesamten Wahlkampf - einen "massiven Einsatz" der Leerstandsabgabe, eine Offensive im kommunalen Wohnbau sowie flächendeckendes Tempo 30 bis auf wenige "Sammelstraßen".
Anzengruber will indes einen "Wohnbaugipfel" abhalten, klare Richtlinien aufsetzen, "damit es zu keiner Spekulation und Preistreiben am Grundmarkt" kommt sowie "Raumordnungsverträge machen." Bei Tempo 30 stieg der Ex-ÖVP-Vize auf die Bremse und sprach sich gegen ein flächendeckendes Vorgehen aus: "Das ist sehr ideologisch und wird nicht so einfach sein." Tempo 30 sei etwa bei Wohngebieten sinnvoll, auf Durchzugsstraßen hingegen nicht. Als "Vision" schwebte dem "JA"-Frontmann vor, den gesamten öffentlichen Verkehr in der Tiroler Landeshauptstadt kostenlos zu machen - mit finanzieller Hilfe von Bund und EU. Willi blieb skeptisch und mahnte: "Es muss sich finanziell ausgehen". "Den EU-Topf", der das ermögliche, kenne er nicht.
Zur Frage nach seiner Zukunft im Falle einer Niederlage wich Willi aus: "Ich werde alles tun, dass ich Bürgermeister bleiben kann." Worauf Anzengruber wissen ließ: "Ich bleibe definitiv sechs Jahre euer Bürgermeister".
Willi war im ersten Durchgang mit 22,9 Prozent in Front gelegen. Anzengruber kam auf 19,4 Prozent.
Zusammenfassung
- In Innsbruck fand eine fast harmonische Stichwahldebatte zwischen Bürgermeister Georg Willi (Grüne) und Herausforderer Johannes Anzengruber (JA-Jetzt Innsbruck) statt.
- Beide Kandidaten erwarten ein knappes Ergebnis für die Stichwahl am 28. April; Willi lag im ersten Durchgang mit 22,9 Prozent vorn, Anzengruber folgte mit 19,4 Prozent.
- Willi befürwortet eine Mitte-Links-Koalition aus Grünen, Anzengruber-Gruppe und SPÖ, die zusammen auf 22 von 40 Sitzen im Gemeinderat käme.
- Anzengruber bleibt hinsichtlich Koalitionsmöglichkeiten unbestimmt und möchte Gespräche erst nach der Wahl führen, schließt dabei keine Partei aus, auch die FPÖ nicht.
- Die Kandidaten setzen unterschiedliche Schwerpunkte: Willi auf leistbares Wohnen und Verkehrsberuhigung, Anzengruber auf einen Wohnbaugipfel und selektive Verkehrsmaßnahmen.