Saniertes Parlament neu eröffnet
Mit einem regelrechten Staatsakt hat das Parlament am Donnerstag wieder den Betrieb im Haus am Ring aufgenommen. Bei einer Veranstaltung im historischen Sitzungssaal war beinahe das gesamte offizielle Österreich erschienen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwies dem Parlament ebenso die Ehre wie der größte Teil der Bundesregierung. Das Parlament war während der vergangenen fünf Jahre umfassend saniert worden.
Der historische Sitzungssaal präsentierte sich am Donnerstag prächtig wie eh und je. Die musikalische Begleitung stammte von den Wiener Philharmonikern und den Sängerknaben.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) lud diplomatische Vertreter aller EU-Staaten, erweitert um jene des Schengenraumes, außer Russland und Belarus ein. Die Botschafter der USA, des Vereinigten Königreichs und Israels stehen ebenfalls auf der Gästeliste, genau wie alle diplomatischen Vertreter der Westbalkanstaaten sowie die Botschaften der Türkei, Moldaus, Georgiens und der Ukraine.
Neben dem Festredner, dem ehemaligen deutschen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) werden hochrangige Parlamentsvertreter:innen aus Deutschland, Italien, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn am Festakt teilnehmen.
Schüssel bis Strache im Publikum
Nebeneinander lauschten die Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Wolfgang Schüssel (ÖVP) den Reden. Hinter ihnen hatte der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) Platz gefunden. Dessen Nachnachfolger als FPÖ-Chef Herbert Kickl musste am Donnerstag krankheitsbedingt passen.
Das renovierte Parlament in Bildern zum Durchklicken:
Sobotka: "Herz der Demokratie"
"Lassen wir uns leiten von der Würde dieses Haus", bat Hausherr Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu Beginn seiner Festrede. Das Parlament gebe der Demokratie, die sich ihren Platz in der Geschichte erkämpft habe und alternativlos sei, Heimat und Identität: "Es ist das Herz der Demokratie."
Sobotkas Kernbotschaft war, Respekt voreinander zu haben: "Wenn wir genau hinhören, teilt uns dieses Haus vielleicht seinen Wunsch an uns alle mit. Nämlich, dass unser Denken, Reden und Handeln von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt sein soll." Es brauche Kooperationsbereitschaft, Toleranz und Wertschätzung.
Bures: "Weniger Rechthaberei, mehr Neugier"
In dieselbe Kerbe schlugen auch die beiden anderen Mitglieder des Präsidiums. Die Zweite Präsidentin Doris Bures (SPÖ) meinte: "Machen wir uns die Mühe Widerspruch auszuhalten." Weniger Rechthaberei, mehr Neugier, gehörte zu ihren Anregungen. Bures erinnerte an den Vertrauensverlust, der sich in den vergangenen fünf Jahren ergeben habe. Daher brauche es jetzt nach der Sanierung des Parlamentsgebäudes eine gründliche Sanierung des Vertrauens in die Demokratie und ihre Institutionen.
Der Dritte Präsident Norbert Hofer (FPÖ) gab zu bedenken, dass in einer Zeit der Ausgrenzung anderer und einer Zeit der Algorithmen Diskussionen schwierig geworden seien. Im Hohen Haus gehe es aber um das zuhören, Dinge auch aus dem Auge des anderen zu sehen. Das Parlament sei von Natur aus ein Ort der unterschiedlichen Meinungen: "Aber am Ende hat das Gesamtwohl im Vordergrund zu stehen und das Gesamtwohl der Demokratie entspringt der lebhaften Diskussion."
"Ein sehr bewegender Moment" - Gratulationen zur Parlamentseröffnung
PULS 24 Reporterin Nina Flori hat die Festgäste gefragt, was sie zur Parlamentseröffnung sagen.
Festredner Schäuble über Demokratiekrise
Festredner Schäuble meinte, die vielleicht gefährlichste Krise in einer Zeit multipler Krise sei jene der rechtsstaatlichen Demokratie selbst. Die Bürger entzögen ihren politischen Vertretern ihr Vertrauen, stimmten für populistische Vereinfacher oder wendeten sich ganz ab: "Das rührt am Kern unserer Demokratie."
Jedenfalls erreicht werden müsse, dass die Bürger sich wieder besser vertreten und im demokratischen Prozess wieder fänden. Dabei sollten freilich nicht nur Lösungen präsentiert werden, die gut klängen. Schäuble sprach auch gegen automatische Negativ-Zuschreibungen an und nahm dabei indirekt Partei für konservative Positionen etwa in Sachen schriftliches Gendern.
Günter Kovacs (SPÖ), aktuell Präsident des Bundesrats, beschwor ebenfalls den "Geist des Miteinanders". Das Vertrauen in die Instanzen, in die Demokratie müsse gestärkt werden. Es brauche Maßnahmen, die für die Menschen verständlich sein. Die Sorgen müssten ernst genommen werden, es brauche eine Politik auf Augenhöhe.
Parlamentseröffnung: 55.000 Quadratmeter saniert
10.000 Quadratmeter mehr und eine Glaskuppel
Saniert wurden in den vergangenen gut fünf Jahren rund 55.000 Quadratmeter Netto-Geschoßfläche, 740 Fenster und 600 historische Türen sowie 500 Luster und Leuchten. Die Nutzfläche wurde um rund 10.000 Quadratmeter erweitert. Die wesentlichste architektonische Neuerung ist die neue Glaskuppel über dem Nationalratssaal mit einem Durchmesser von 28 Metern und einer Fläche von 550 Quadratmetern.
Der Plenarsaal wird vom Nationalrat freilich erst am 31. Jänner eingeweiht. Der Festakt fand nämlich im Bundesversammlungssaal statt, wo in zwei Wochen auch die Wiederangelobung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Szene gehen wird. Die Länderkammer trifft sich dann am 16. Februar im neuen Bundesratssaal, der heute offiziell eröffnet wurde.
Für Interessierte wird es schon davor die Gelegenheit geben, sich im neuen Parlament umzusehen. Am kommenden Wochenende sind zwei "Tage der offenen Tür" angesetzt.
Zusammenfassung
- Fast fünf Jahre lang ist das Parlament komplett renoviert worden.
- Mit einem regelrechten Staatsakt hat das Parlament am Donnerstag wieder den Betrieb im Haus am Ring aufgenommen. Bei einer Veranstaltung im historischen Sitzungssaal war beinahe das gesamte offizielle Österreich erschienen.