Nord-Stream-Anschlag: Mysteriöse Manöver deuten auf Russland hin
Jahrelang soll ein anonymer Mann im Dienst britischer Militärs und Geheimdienste die russische Ostseeflotte ausspioniert haben. 2018 ging er in Pension, hörte aber trotzdem nicht auf damit. Er soll seine Arbeit von seiner Wohnküche aus fortsetzen - und seine Informationen nun mit Journalist:innen geteilt haben. Er könnte neue brisante Hinweise geliefert haben, die auf das russische Militär hindeuten.
Offiziell ist immer noch unklar, wer hinter der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 am 26. September 2022 steckt. Geheimdienste und Behörden halten sich bedeckt. Bis dato galt das im deutschen Rostock gecharterte Segelboot Andromeda als wichtigste Spur. Auf dem Boot wurden Sprengstoffrückstände gefunden, mehrere Ukrainer:innen mit gefälschten Pässen sollen es angemietet haben. Es könnte sich aber um eine falsche Fährte handeln.
- Denn schon vergangene Woche berichtete eine dänische Zeitung, dass die dänische Marine wenige Tage vor den Explosionen Fotos von einem russischen Schiff machte, das sich in der Nähe der Pipelines aufhielt. Es handelt sich um die SS-750, ein Spezialschiff für Unterwassereinsätze mit einem Mini-U-Boot an Bord.
- Im März 2023 berichtete "T-Online" über zwei verdächtige russische Geisterschiffe in unmittelbarer Nähe der Explosionsstelle. Unter Verweis auf Sicherheitskreise heißt es, ein Verband der russischen Marine habe "wenige Tage vor den Explosionen unter strenger Abschirmung im Bereich des späteren Tatorts operiert". Und nun kommen die Informationen des Ex-Agenten hinzu, der die Informationen über die Geisterschiffe bestätigt, aber noch weitere Infos liefert.
"Schattenkrieg"
"Schattenkrieg" heißt die dreiteilige Dokumentationsserie der öffentlich-rechtlichen Sender Dänemarks (DR), Norwegens (NRK), Schwedens (SVT) und Finnlands (Yle), über die in Österreich der "Standard" vorab berichtete. Darin enthüllen mehrere mutmaßlich russische Spione, dass Russland offenbar mithilfe von Forschungsschiffen in der Ost- und der Nordsee nach Schwachstellen westlicher Infrastruktur – und damit möglichen Angriffszielen – sucht: bei Offshorewindparks, Strom- und Internetkabeln – oder Pipelines.
Und die Recherchen zeigen auch: Auffällig viele russische Schiffe hielten sich in den Monaten vor den Explosionen in der Nähe der Röhren auf – teils sogar offenbar direkt über der späteren Explosionsstelle. Die neuen Erkenntnisse stammen hauptsächlich von dem Ex-Agenten, der in der Doku prominent vorkommt. Er schnitt Funksprüche mit, die auch den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines betreffen könnten. Satellitenaufnahmen und hinzugezogene Marine-Experten bestätigten die Plausibilität der gesammelten Daten.
Mysteriöse Manöver
- Die entsprechenden Aufnahmen des Spions beginnen am 6. Juni 2022. Ein Schiff, das die automatische Positionsübertragung ausgeschaltet hat, legt von der russischen Enklave Kaliningrad ab. Einen Tag später erreicht das Geisterschiff die Gewässer in der Umgebung der Pipeline Nord Stream 2. In den darauffolgenden Stunden meldet es per Funk mehrere Positionen in der Nähe der späteren Explosionsorte.
- Wenige Tage später, das Schiff hat schon abgedreht, taucht ein neues auf: Das Forschungsschiff namens Sibirjakow hat ebenfalls den Transponder ausgeschaltet und ist in der Lage, eigene Unterwasserfahrzeuge einzusetzen. Laut den Aufzeichnungen des Ex-Agenten war das Schiff kurz davor im Dienst der russischen Marine unterwegs und hatte ein neues U-Boot bei einer Testfahrt begleitet.
- Das Schiff kommunizierte laut den Aufzeichnungen des pensionierten Agenten zudem mit einem nicht identifizierbaren Schiff, das ebenfalls in der Nähe operierte.
- Zwischen dem 14. und 15. Juni 2022 kreuzt die Sibirjakow, wie zuvor das unbekannte Geisterschiff, mehrfach in der Nähe der späteren Explosionsstellen. Laut Marine-Analytiker und Experte für Kriegsführung auf dem Meeresgrund H.I. Sutton sei dies "ungewöhnlich und sehr verdächtig", da das Schiff sonst nicht in dem Gebiet operiere. Das Schiff sei besonders geeignet, Unterwasserdrohnen zu steuern.
- Das norwegische Unternehmen KSAT untermauert die Beobachtungen des Ex-Agenten: Auch radargestützte Satellitenaufnahmen zeigen verdächtige Schiffe entlang der Route. Eines ist an den fraglichen Tagen rund drei Kilometer von der späteren Explosionsstelle zu sehen, ein anderes hält sich genau darüber auf.
Russland macht Westen verantwortlich
Damit ist das Rätsel, wer hinter den Explosionen stecken könnte, zwar noch immer nicht offiziell gelöst, die neuen Hinweise deuten aber darauf hin, dass sehr wohl Russland hinter dem Anschlag stecken könnte. Der Kreml hat das bislang immer bestritten und vor allem die USA, aber auch Großbritannien verantwortlich gemacht. Auf die aktuellen Hinweise reagierte Russland noch nicht.
Zusammenfassung
- Geisterschiffe, geheime Funksprüche, Unterwasserdrohnen, "Schattenkrieg": Neue Hinweise deuten nun doch wieder auf Russland als Verursacher der Nord Stream-Sprengung hin.
- Jahrelang soll ein anonymer Mann im Dienst britischer Militärs und Geheimdienste die russische Ostseeflotte ausspioniert haben.
- 2018 ging er in Pension, hörte aber trotzdem nicht auf damit. Er soll seine Arbeit von seiner Wohnküche aus fortsetzen - und seine Informationen nun mit Journalist:innen geteilt haben.
- Er könnte neue brisante Hinweise geliefert haben, die auf das russische Militär hindeuten.