Liberale Hayer sieht keinen zwingenden Sieg für Rechte
Hayer, die im Jänner nach dem Wechsel Stephane Sejournés in die französische Regierung zur neuen RENEW-Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, kritisiert die "Heuchelei der extremen Rechten, die den Europäern erklärt, dass sie da ist, um sie zu schützen, sich aber weigert, den Asylpakt oder den grünen Deal zur Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen." Zudem stellten sich rechte Politikerinnen und Politiker öffentlich an die Seite der protestierenden Landwirte, verweigerten aber die Unterstützung, wenn es um die Finanzierung gehe.
"Der Rechtsextremismus ist eine Gefahr, man sieht das beispielsweise heute in Ungarn", sieht die Juristin die "Rechtsstaatlichkeit bedroht". Aber: "(Ungarns Präsident Viktor, Anm.) Orban blockiert anfangs viel, droht, erpresst und sagt aber schließlich ja." Sie bedaure die Entscheidung der EU-Kommission vom Dezember, zehn Milliarden Euro der wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken eingefrorenen EU-Gelder an Budapest freizugeben: "Erpressung ist unzulässig", sagt sie zu Orbans Blockaden wichtiger EU-Entscheidungen wie der Ukraine-Hilfe. Dies zeige die Notwendigkeit einer "institutionellen Reform, um zu einer qualifizierten Mehrheit für eine bestimmte Anzahl von Dossiers überzugehen".
"Europa antwortet nicht auf die Sorgen der Menschen", so die Tochter von Landwirten. Sie verstehe den Ärger und treffe die Landwirtinnen und Landwirte. "Wir müssen auf diesen Zorn reagieren. Und wir dürfen nicht Umwelt und Landwirtschaft gegeneinander ausspielen." Dies war etwa im Verhandlungsprozess des am heutigen Dienstag zur finalen Abstimmung im EU-Parlament anstehenden EU-Renaturierungsgesetzes geschehen.
Die Liberale betont ihre "unerschütterliche Entschlossenheit im Kampf gegen die Extreme." RENEW, der auch die österreichischen NEOS angehören, tritt im Europawahlkampf mit der Plattform "RENEW Europe" an, da die Parlamentsfraktion und die liberale Partei ALDE seit 2019 nicht mehr deckungsgleich sind. RENEW dürfte nicht nur einen, sondern laut seiner Vorsitzenden drei EU-weite Spitzenkandidatinnen oder -kandidaten aufstellen. Namen will sie noch keine nennen; die Entscheidung fällt beim Parteikongress am 20. März in Brüssel.
Hayer sitzt seit 2019 im EU-Parlament und steht nun an der Spitze der drittgrößten politischen Kraft (102 Abgeordnete aus 24 Ländern), hinter der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (S&D). Sie ist im EU-Parlament u.a. für das mehrjährige EU-Budget verantwortlich und verhandelte auch die aktuelle Aufstockung mit. Sie fordert eine grundlegende Reform des EU-Haushalts: "Von der EU wird immer mehr verlangt. Das muss aber auch finanziert werden."
Sie fordert eine Stärkung und bessere Ausstattung des Gemeinschaftshaushalts, insbesondere bei den wichtigen Prioritäten grüne und digitale Transformation sowie industrielle Souveränität. Dafür brauche es auch mehr eigene Ressourcen für die Union: "Eigene Ressourcen würden die nationalen Finanzen weniger beanspruchen."
"Gehen Sie wählen und geben Sie nicht der Versuchung der extremen Rechten nach", appelliert sie abschließend an Europas Wählerinnen und Wähler. "Das ist vielleicht die wichtigste Wahl in der EU, denn wir sehen die Destabilisierung der Welt und die Nähe einiger Rechtsextremer zu Putin."
(Das Gespräch führte Franziska Annerl/APA)
Zusammenfassung
- Valérie Hayer, Vorsitzende der liberalen RENEW-Fraktion im EU-Parlament, sieht den Sieg rechtspopulistischer Parteien bei den EU-Wahlen im Juni nicht als selbstverständlich an.
- Sie kritisiert die Heuchelei der Rechtsextremen und betont die Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit, fordert eine EU-Reform für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen.
- Hayer, die seit 2019 im EU-Parlament sitzt, appelliert an die Wähler, nicht den rechtsextremen Parteien nachzugeben und strebt eine Stärkung des EU-Haushalts an.