LGBTIQ: Einiges umgesetzt, Diskriminierungsschutz noch offen
"Diese Regierung zählt in der Geschichte der Zweiten Republik sicher zu jenen, wo in diesem Bereich am meisten weitergegangen ist", resümiert der Rechtsanwalt Helmut Graupner im Gespräch mit der APA durchaus positiv. Einerseits schaffte die erste Regierung mit grüner Beteiligung das Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer ab, andererseits war Alma Zadić (Grüne) die erste Justizministerin, die sich stellvertretend für die gesamte Justiz für die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller entschuldigte.
Das Totalverbot von Homosexualität wurde in Österreich erst 1971 unter Bruno Kreisky (SPÖ) aufgehoben. Bis der letzte Paragraf, der ansonsten legale Handlungen bei Homosexuellen unter Strafe stellte, aus dem Strafgesetzbuch verschwunden war, dauerte es aber bis 2002. "Die Aufhebung des Prostitutionsverbotes für schwule Männer 1989 erfolgte im Sinne der HIV-Bekämpfung, dass das Werbe- und Vereinsverbot 1996 abgeschafft wurde, ist einer Sternstunde des Parlaments zu verdanken", sagte Graupner. Sechs Jahre später wurde der letzte Sonderparagraf vom Verfassungsgericht aufgehoben. "Bis zur aktuellen Regierung waren es lange ausschließlich die Gerichte, denen die Community Verbesserungen zu verdanken hat", betonte der Rechtsanwalt, der selbst etwa die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare oder die Ehe für alle erstritten hat.
Mit der Rehabilitierung sämtlicher Personen, die strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden, können diese seit Februar dieses Jahres Anträge auf Entschädigungszahlung stellen. Die Höhe sei zwar "bescheiden", aber doch ein wichtiger symbolischer Akt. Österreich sei laut Deutschland erst das zweite Land, das derartige Entschädigungszahlungen ermöglichte, sagte Graupner.
Positiv sieht er auch den Gratis-Zugang zur HIV-Prophylaxe "PrEP", der seit April besteht. "Ich hätte mir aber gewünscht, dass auch Kondome gratis werden, denn die schützen neben HIV auch vor anderen Geschlechtskrankheiten."
Oft gefordert, aber nicht umgesetzt wurde hingegen das sogenannte "Levelling-Up". In Österreich gibt es zwar einen Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung. Im privaten Bereich ist das aber nicht der Fall: So kann etwa homo- oder bisexuellen Menschen aufgrund ihrer Sexualität straffrei die Mitnahme im Taxi, die Bedienung in einem Restaurant oder eine Mietwohnung verweigert werden.
"Dass hier noch immer nichts passiert ist, ist wirklich sehr schade", bemängelte die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Sandra Konstatzky, gegenüber der APA. Neben der sexuellen Orientierung sind auch das Alter, die Religion und Weltanschauung nicht vom Diskriminierungsschutz im Privatbereich umfasst, im Gegensatz zu beispielsweise der Ethnie oder dem Geschlecht. "Das sind Lücken, die für niemanden nachvollziehbar sind". Anders als der Bund haben die Länder den Diskriminierungsschutz im Privaten umgesetzt. "Das führt dazu, dass man, wenn man etwa auf einer Sportveranstaltung diskriminiert wird, eine Handhabe hat. Geht man danach ins Lokal und wird wieder diskriminiert, kann man sich nicht mehr wehren", erklärt Konstatzky. Graupner sieht einen Schuldigen, weshalb es keinen bundesweiten Schutz gibt: "Ich weiß nicht, warum sich die ÖVP als Schutzmantel-Madonna der Diskriminierer auftut".
"Im Familienrecht sind wir an der Weltspitze, aber hier herrschen mittelalterliche Zustände", so Graupner. Im Elternrecht wurden etwa Änderungen vorgenommen, wodurch Kinder von Frauen, die in gleichgeschlechtlicher Ehe oder eingetragener Partnerschaft leben, auch dann automatisch zwei Elternteile haben, wenn sie ohne In-Vitro-Fertilisation gezeugt wurden.
Trotz eines einstimmigen Entschließungsantrages aus dem Jahr 2019 nicht umgesetzt wurde ein Verbot von Konversionstherapien, die darauf abzielen, queere Jugendliche "umzupolen". "Dass da nichts geschehen ist, finde ich wirklich empörend", so Graupner. Ebenfalls nicht verboten sind Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, also Kindern die sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale aufweisen, obwohl der VfGH diese als rechtswidrig erklärte, sofern keine medizinische Notwendigkeit besteht.
Seit 2020 werden Hassverbrechen als solche gesondert erfasst, und einmal jährlich in einem Bericht des Innenministeriums präsentiert. "Wenn man die Zahlen weiß und dann nichts dagegen tut, dann ist das nicht einmal die halbe Miete", sagte Graupner, der wie auch die SPÖ oder die NEOS einen Nationalen Aktionsplan gegen Hass fordert. Vergangene Woche veröffentlichte die EU-Agentur für Grundrechte eine Studie, wonach etwa 60 Prozent der Befragten aus der Community in Österreich angaben, verbal bedroht oder belästigt worden zu sein. 15 Prozent wurden Opfer körperlicher Gewalt, jedoch lediglich acht Prozent melden diese der Polizei.
Auf parlamentarischer Ebene "gekommen um zu bleiben" ist in dieser Legislaturperiode die erste überparteiliche Arbeitsgruppe. Vertreter von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS befassen sich mit der Gleichbehandlung von LGBTIQ-Personen. Die Gruppe soll in Zukunft zu Beginn jeder Gesetzgebungsperiode konstituiert werden.
Zusammenfassung
- Im Juni, dem Pride Month, hebt eine Parade am 8. Juni die fehlende rechtliche Gleichstellung der LGBTIQ-Community hervor.
- Die schwarz-grüne Bundesregierung hat Fortschritte gemacht, wie die Aufhebung des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer, doch der Diskriminierungsschutz im Privaten fehlt weiterhin.
- Ein Verbot von Konversionstherapien, die queere Jugendliche 'umpolen' sollen, wurde trotz einstimmigen Entschließungsantrags nicht umgesetzt.
- In Österreich gibt es keinen bundesweiten Schutz vor Diskriminierung im privaten Bereich, was bedeutet, dass Diskriminierung in alltäglichen Situationen wie in Taxis oder Restaurants weiterhin möglich ist.
- Eine überparteiliche Arbeitsgruppe wurde eingerichtet, um sich mit der Gleichbehandlung von LGBTIQ-Personen zu befassen und soll zu Beginn jeder Gesetzgebungsperiode neu konstituiert werden.