Landwirtschaft und die EUPULS 24

Was EU-Gelder für die Landwirtschaft bedeuten

Kaum ein Bereich wird stärker von der EU finanziert als die Landwirtschaft. Wie wichtig sind die Gelder aus Brüssel für die heimischen Landwirt:innen wirklich? Wie werden sie verteilt und was will die EU mit ihrer Agrarpolitik erreichen? Ein Überblick.

Kaum mehr als eine Woche noch, dann geht es für die Österreicher:innen zu den Wahlurnen. Am 9. Juni wird abgestimmt, wer für uns als Abgeordnete:r ins Europäische Parlament einzieht.

Was die österreichischen Vertreter:innen dort mitentscheiden, betrifft uns alle. Direkt oder indirekt. Zum Beispiel wenn über Vorgaben und Gelder für heimische Land:wirtinnen verhandelt wird. Über den Alltag jener Menschen, die uns die regionale Butter aufs Brot bringen und die Kartoffeln für den Kartoffelsalat. Die unsere Landschaft maßgeblich mitgestalten - und deren Einkommen im Vergleich zu jenen aus nicht-landwirtschaftlichen Jobs um 40 Prozent niedriger ist.

Die finanzielle Unterstützung der EU ist für viele heimische Landwirt:innen überlebenswichtig. Wie die Gelder verteilt werden, wird maßgeblich von der Gemeinsamen Agrarpolitik oder kurz GAP bestimmt.

Die GAP ist in ihrer Form einzigartig in der EU. Alle Mitgliedsstaaten einigen sich für einen bestimmten Zeitraum darauf, wie man Landwirtschaft zusammen regelt. In keinem anderen Polit-Bereich gibt es so ein geschlossenes Vorgehen.

Das soll nicht nur die Versorgung der EU-Bürger:innen mit Lebensmitteln und das Einkommen der Landwirt:innen sichern. Auch dem Klimawandel sollen bestenfalls gemeinsam Maßnahmen entgegengesetzt werden. Schließlich ist die Landwirtschaft als einer der ersten Bereiche massiv betroffen, wenn Pflanzen verdorren oder erfrieren und Käfer sich ins Holz der heimischen Wälder fressen. 

Die Ziele der GAP im Überblick:

  • Landwirt:innen unterstützen und die Produktivität in der Landwirtschaft verbessern, um eine sichere Versorgung mit bezahlbaren Nahrungsmitteln zu gewährleisten

  • Landwirt:innen der EU ein angemessenes Einkommen ermöglichen

  • Zur Bekämpfung des Klimawandels und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen beitragen

  • Ländliche Gebiete und Landschaften in der EU erhalten

  • Die Wirtschaft im ländlichen Raum durch Förderung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, der Agrar- und Ernährungswirtschaft beleben

1.582,4 Millionen für heimische Landwirtschaft

Die aktuelle GAP gilt von 2023 bis 2027. Sie gibt allerdings nur einen Rechtsrahmen und Ziele vor. Wie genau Landwirtschaft beziehungsweise deren Finanzierung in Österreich und den anderen EU-Ländern aussieht, hält jedes Mitglied für sich in einem GAP-Strategieplan fest, den die Kommission absegnet.

Finanziert wird dieser dann durch Gelder aus dem EU-Haushalt. Österreich stehen pro Jahr 1.582,4 Millionen Euro für die heimische Landwirtschaft zur Verfügung. Wie genau diese Gelder verteilt werden, steht im Strategieplan.

"Nicht viele Bereiche sind in so großem Umfang europäisch finanziert, wie der der Landwirtschaftspolitik", erklärt Jochen Kantelhardt, Leiter des Zentrums für Agrarwissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien. Die Zahlungen der EU hätten für die heimischen Landwirt:innen eine "große wirtschaftliche Relevanz, deshalb ist das Thema so emotional."

In vielen Regionen Österreichs machen es die natürlichen Gegebenheiten wie steile Hänge und Berge den Landwirt:innen schwer, darunter leidet die Konkurrenzfähigkeit. Bei Bergbewirtschaftung kommen etwa 60 bis 70 Prozent der Einkünfte aus Mitteln der GAP, heißt es von der Landwirtschaftskammer. Im Ackerbau sind es immerhin etwa 20 Prozent.

Die Gemeinsame Agrarpolitik und damit auch die Vergabe der für Österreichs Landwirt:innen so wichtigen Gelder fußt auf zwei Säulen. Bei der ersten Säule, den Direktzahlungen, stammen 100 Prozent der Gelder von der EU. In Österreich fließen dafür aktuell 677, 6 Millionen Euro im Jahr. Ein Großteil wird auf Basis der Fläche der Betriebe vergeben, also wie viel Hektar bewirtschaftet werden. 462,6 Millionen Euro sind sogenannte "Basiszahlungen für Heimgutflächen".

Es ist eine Einkommensunterstützung für Österreichs Landwirt:innen, die eines der entscheidenden Ziele der GAP erreichen soll: Landwirt:innen ein angemessenes Einkommen ermöglichen und die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln gewährleisten.

Nachhaltige Landwirtschaft vs. Wettbewerbsfähigkeit?

Bei der zweiten Säule der GAP stammen nicht alle Mittel von der Europäischen Union, die Hälfte der Gelder aus diesen Töpfen wird in Österreich von Bund und Ländern übernommen. Teil der zweiten Säule ist zum Beispiel eine Ausgleichszulage für Gebiete, die sich schwerer bewirtschaften lassen, zum Beispiel in den Bergen. Dafür stehen 250 Millionen Euro zur Verfügung.

Um dem GAP-Ziel der Bekämpfung des Klimawandels und der nachhaltigen Bewirtschaftung näher zu kommen, gibt es in Österreich außerdem ein kurz ÖPUL genanntes Programm mit Agrar-Umweltmaßnahmen. ÖPUL, das steht für Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft. 474 Millionen Euro fließen dafür pro Jahr.

Auch hier kommen 50 Prozent der Gelder von der EU. Die anderen 50 Prozent übernehmen in Bund (60 Prozent) und Länder (40 Prozent).

Zusätzlich gibt es Öko-Zahlungen in Höhe von 100 Millionen Euro, die zu 100 Prozent von der EU übernommen werden. Insgesamt macht des 574 Millionen Euro pro Jahr.

"ÖPUL ist einzigartig in der EU", schildert Agrarwissenschaftler und -ökonom Kantelhardt. Ein so "breites und umfangreich ausgestattetes Angebot an Maßnahmen, um umweltfreundlich zu wirtschaften", wäre in dieser Form etwas Besonderes.

"Österreich als ein wohlhabendes Land kann das umfangreich finanzieren", so Kantelhardt. Schließlich nimmt man bei den kofinanzierten Maßnahmen selbst viel Geld in die Hand.

Aus 25 freiwilligen ÖPUL-Maßnahmen können Landwirt:innen in Österreich wählen, eine Verpflichtung zu den Umweltmaßnahmen gibt es nicht. Mit den Geldern dafür soll der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit machbar werden.

Millionen für Umweltschutzmaßnahmen

80 Prozent der Betriebe nehmen zumindest eine der Möglichkeiten in Anspruch. Wie viel Geld ein:e Landwirt:in bekommt, hängt unter anderem von zusätzlichen Kosten und entgangenen Erlösen ab. Beides soll kompensiert werden.

Eine Landwirtin, die im Weinviertel konventionellen Ackerbau betreibt, kann beispielsweise ÖPUL-Gelder für "Umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung" beantragen. Das machen zwischen 35 und 40 Prozent der Landwirt:innen. Für diese Förderung müssen sie mindestens 7 Prozent ihrer Flächen für Biodiversität zur Verfügung stellen und Weiterbildungen dazu besuchen.

Eine Bio-Ackerbäuerin im Seewinkel könnte sich zum Beispiel Gelder für "Biologische Wirtschaftsweise" und "Begrünung von Ackerfläche" entscheiden. Das tun laut Landwirtschaftskammer rund 23 Prozent der Betriebe.

Gelder für die komplexe Maßnahme "Naturschutz" wurden bislang nur für 2 bis 3 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen beantragt. Die Tendenz sei jedoch "stark steigend", erklärt Thomas Weber, Fachreferent für Agrar- und Regionalpolitik bei der Landwirtschaftskammer.

Für "Naturschutz" erstellen Landesnaturschutzbeauftragte ein auf den jeweiligen Betrieb zugeschnittenes Bündel an Maßnahmen, das die Landwirt:innen einhalten müssen. Sie müssen dann zum Beispiel auf Dünger verzichten oder auf ihren Äckern Platz für Kiebitze machen.

Video: Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig im Interview des Tages

Aufwändige Anträge, viel Papierkram

An einem Programm wie ÖPUL teilzunehmen oder generell an Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik zu kommen, ist für die Land:wirtinnen aber gar nicht so einfach.

Mindestens einmal im Jahr müssen sie einen Antrag stellen, und der ist nicht unkompliziert: "Wenn beispielsweise nur eine Checkbox vergessen wird abzuhaken, dann können trotz Einhaltung der Auflagen auf der Fläche mehrere Tausend Euro nicht in Anspruch genommen werden", erklärt Agrarexperte Weber von der Landwirtschaftskammer.

Bei fast allen bezuschussten Maßnahmen müssen die Landwirt:innen außerdem genau dokumentieren, dass sie die Vorgaben einhalten: Zum Beispiel müssen sie ihren Wasserverbrauch, den Zustand des Bodens oder die Verwendung von Pestiziden und Düngern festhalten.

Laut einer aktuellen Befragung der Kommission stecken 57 Prozent der Landwirt:innen in der EU mehr als fünf Werktage in Anträge und ihre Aufzeichnungen für Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik. Fast 40 Prozent der befragten Landwirt:innen haben dabei schon einmal die Rückmeldung bekommen, dass Fehler in ihren Anträgen sind.

Neben den Anträgen nehmen auch Kontrollen Zeit in Anspruch. Bei einem Teil der GAP-Maßnahmen wird komplett mittels Satelliten-Monitoring kontrolliert. Es gibt jedoch auch Kontrollen vor Ort. Der Befragung der EU-Kommission zufolge gab bei mehr als 60 Prozent der Befragten zumindest eine Kontrolle in den vergangenen drei Jahren, bei mehr als 15 Prozent wurde dreimal oder öfter nachgeschaut. Die Vor- und Nachbereitung kann die Landwirt:innen bis zu zwei Tage kosten.

Auf die Zahlungen der EU verzichten können viele Betriebe allerdings kaum. Dass über einen so wichtigen Teil des Geldes für die heimischen Landwirt:innen und was diese dafür tun müssen scheinbar weit weg in Brüssel entschieden wird, sorgt für Spannungen. Diese zu lösen und das Verhältnis zwischen Landwirt:innen und der EU zu verbessern, ist nur eine der großen Aufgaben, die das neue EU-Parlament nach der kommenden Wahl erwarten.

ribbon Zusammenfassung
  • Kaum ein Bereich wird stärker von der EU finanziert als die Landwirtschaft.
  • Wie wichtig sind die Gelder aus Brüssel für die heimischen Landwirt:innen wirklich?
  • Wie werden sie verteilt und was will die EU mit ihrer Agrarpolitik erreichen?
  • PULS 24 liefert einen Überblick.