Klima WahlPULS 24

Nationalratswahl: Wessen Klimapolitik am teuersten wird

Was wollen die Parteien in der Klimapolitik? Die Antwort reicht von nichts, bis zu einem Übergang in eine ökosozialere Welt mit Plan. PULS 24 hat die Programme zusammengefasst und die grundlegenden Aussagen hervorgehoben.

Am Sonntag wird in Österreich gewählt. Mit den hohen Schäden durch Unwetter und Hochwasser sind Klimaschutz und Klimawandel wieder in das tagespolitische Geschehen gerückt.

Die Kosten

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Grazer Wegener Center haben Studien veröffentlicht, die zeigen, was auf Österreich finanziell durch den Klimawandel zukommt.

Das Wegener Center errechnete im Jahr 2020, dass Nicht-Handeln der Politik 720 Millionen Euro jährlich kosten wird - rein an Umstellungskosten. Schon 2020 kostete den Bund die Umstellung jährlich eine Milliarde Euro, durchschnittlich kommt Österreich mittlerweile auf jährliche Umweltkatastrophen-Schäden in der Höhe von rund zwei Milliarden Euro.

In einer Subventionsanalyse stellte das WIFO 2022 fest, dass klimaschädliche Subventionen weiter ausgebaut werden. 2022 wurden die Kosten auf vier bis 5,7 Milliarden Euro geschätzt, der Großteil dieser Maßnahmen betrifft den Verkehr (61 Prozent).

Schadensereignisse, wie Hundertjährige-Hochwasser werden vom Wegener Center mit fünf bis acht Milliarden Euro beziffert - aber nicht gehäuft einkalkuliert. Ausgegangen wird davon, dass die tatsächlichen Kosten weitaus höher liegen werden.

Was fordern die Parteien in ihren Programmen, um Österreich klimafit zu machen, und wie umsetzbar sind ihre Vorschläge?

ÖVP

Die ÖVP bekennt sich im Wahlprogramm zum Klimaschutz, auch wenn ÖVP-Chef Karl Nehammer in der Vergangenheit von "apokalyptischen Prognosen" nichts wissen wollte.

  • Verkehr: Die ÖVP setzt auf den Ausbau der Fahrradinfrastruktur sowie der Öffis, E-Autos als Autos der Zukunft, Ausbau des Bahn-Güterverkehrs und die Schaffung eines europäischen Bahnraums
  • Emissionen: Fokus auf Zukunftstechnologien, mit Wasserstoff, E-Fuels, Elektromobilität oder Biokraftstoffen - eine konkrete Umsetzung bleibt aber offen. Verwendung österreichischer CO₂-Speicher (Wald) für Bauwirtschaft
  • Energie: Die Schwarzen sind für die Vereinfachung und Beschleunigung von Umweltprüfungsverfahren (UPV) beim Bau von Kraftwerken und Energie-Infrastruktur. Außerdem ist sie für den Ausbau von Biogas, Biomasse, biogenen Kraftstoffen, Wasserkraft, Kleinwasserkraft, Windkraft und Photovoltaik, sowie dezentrale Speicher (Batterien)
  • Flächennutzung: Gefordert sind Schutz von Natur- und Kulturlandschaften auf Gemeindeebene sowie eine Bodenstrategie unterBerücksichtigung des Klimaschutzes
  • Sicherheit: Ausbau von Hochwasserschutz und Maßnahmen gegen Naturgefahren

Kontraproduktiv werden sich Maßnahmen auswirken, die den Ausstieg aus fossilen Energiequellen verzögern. So will die ÖVP keinen vollständigen Ausstieg aus fossilen Technologien, da diese zu einem "erheblichen Mehrbedarf an entsprechenden Rohstoffen" führen sollen.

Der Individualverkehr mit dem Auto soll weiter ausgebaut werden. Technologisch wird auf weiter auf Verbrenner-Motoren gesetzt, aber auch "Grüne Verbrenner" oder Hybridfahrzeuge. Die ÖVP will darüber hinaus ausdrücklich die Kleinstflughäfen in Innsbruck, Salzburg, Graz, Klagenfurt und Linz erhalten und auch an rechtlich fragwürdigen Straßenprojekten wie dem eigentlich gekippten Lobautunnel oder die Marchfeld Schnellstraße S8 festhalten.

SPÖ

Im aktuellen Programm der SPÖ finden sich klare Bekenntnisse zu Klima- und Naturschutz. Die SPÖ setzt sich dafür ein, dass die klimapolitischen Umstellungen in Gesellschaft und Wirtschaft am Arbeitsmarkt abgefangen werden.

  • Verkehr: Ein kostenloses Klimaticket für Unter-18-jährige, eine flächendeckende LKW-Maut, Vereinfachung der E-Mobilität und Besteuerung von Flugkerosin sollen im Verkehrssektor Emissionen reduzieren.
  • Energie: Bereits verbaute Flächen sollen für die Energieproduktions mit zum Beispiel Photovoltaik verwendet werden
  • Flächennutzung: 10 Prozent des Waldes sollen außer Nutzung gestellt werden, versiegelte Flächen sollen rückgebaut werden, bei Neuwidmungen soll es eine Verpflichtung zu Tiefgarage mit Obergeschoß geben. Ein Klimainvestitionsfonds für Gemeinden, soll diese dabei unterstützen, die Klimaziele zu erreichen.
  • Legislative: Die Staatsanwaltschaft soll Kompetenz bei Umweltvergehen erhalten, weiters soll es ein Klimaschutzgesetz und einen Klimacheck für bestehende Gesetze geben.

Die SPÖ spricht sich für eine Neuaufstellung des Fördersystems in der Landwirtschaft aus, um kleine und mittlere Betriebe zu stärken. Investitionen in Klimaschutz werden begrüßt. Die SPÖ strebt außerdem eine Trennung zwischen Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen von Umwelteinrichtungen an. 

Umwelt- und Katastrophenschutz wird im Programm auch als sicherheitspolitische Maßnahme genannt. Die Körperschaftssteuer, die unter anderem in die Finanzierung des Katastrophenschutzfonds fließt, soll erhöht werden.

FPÖ

Auch im Programm der FPÖ finden sich vereinzelte Maßnahmen zum Thema Klima.

  • Verkehr: die FPÖ ist für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel
  • Energie: Erneuerbare Energien sollen ausgebaut werden, um Energie-Unabhängigkeit zu fördern
  • Emissionen: Auch die FPÖ setzt den Fokus auf CO₂-Speicherung als Klimaschutzmaßnahme

Abgeschafft werden soll die CO₂-Besteuerung und die Normverbrauchsabgabe (NoVA) soll reduziert werden. Die sogenannte NoVA wird auf Fahrzeuge abhängig von ihren CO₂-Emissionen eingehoben. Neben dem Ausbau der autofreundlichen Subventionen sollen nach dem Willen der FPÖ auch Klimabonus und CO₂-Abgabe abgeschafft werden. Das dürfte aber schwer sein, da diese auf EU-Ebene verankert sind.

Abseits davon sieht die FPÖ den Grund für Flächenversiegelung in Migration und Zuzug. Es werden auch rigorosere Strafen für Klimaaktivist:innen gefordert.

Grüne

Das Thema Klima und Klimaschutz ist für die Grünen das absolute Kernanliegen, es zieht sich wie ein roter Faden durch fast alle Kapitel des Wahlprogramms.

  • Verkehr: Gefordert sind Ausbau des Klimatickets und der Bahn, europäische Fernzugverbindungen sollen günstiger werden. Güterverkehr soll stärker auf Schiene und Seeweg verlagert werden. Weiters soll die Normverbrauchsabgaben (NoVA) soll ausbaut und Parkgebühr sowie Pendlerpauschale ökologischer und sozialer gemacht werden. Klimaschädlicher Subventionen sollen abgebaut, E-Mobilität und deren Ausbau soll gefördert werden
  • Energie: Die Grünen wollen eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien und längerfristig einen völligen Ausstieg aus der Abhängigkeit von fossiler Energie. Der Energieverbrauch soll gesenkt werden, dabei soll die öffentliche Hand Vorbildwirkung haben. Der Heizkesseltausch soll vorantrieben und Effizienz als Kriterium in Ausschreibungen festgelegt werden. Versiegelte Flächen sollen zu Energiegewinnung verwendet werden. Bei unvermeidbaren Emissionen sollen bestmögliche Lösungen - die nicht konkret genannt werden - erforscht und forciert werden.
  • Verwaltung: Verankerung von Klimaschutz als Kriterium in der Raumordnung; der Bund soll bei regionalen Projekten mitreden über Definition von Eignungskriterien. Der Finanzausgleich zwischen Ländern, Gemeinden und Bund soll an Klimaschutz gekoppelt werden.
  • Flächennutzung: Die Grünen fordern ein "Aus für Zubetonieren", verankert in einer Steuerreform. Eine Leerstandsabgabe soll dafür sorgen, dass vorhandener Wohnraum effizient genutzt wird. Renaturierung soll für Hochwasserschutz sorgen.
  • Arbeitsmarkt: Gefördert werden sollen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, nicht Flächenbesitz. "Grüne Jobs" sollen, unter anderem durch den Klimasozialfonds der EU (Social Climate Fund), forciert und die regionale Wirtschaft gestärkt werden. Durch diese "Green Transition", unter anderem durch klimafreundliche Subventionen, sollen einerseits Energiesicherheit und andererseits Wohlstand und neue Jobs durch neue Unternehmen geschaffen werden.

Die Grünen sind aktuell noch in der Bundesregierung mit der ÖVP, die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes war schon Wahlkampf 2019 eine Forderung. Umgesetzt wurde es bisher nicht. In ihrem Wahlprogramm lehnen die Grünen Atomkraft als Möglichkeit zum Klimaschutz ab. Dies sei keine wirkliche Lösung, um Österreich klimafit zu machen: So bräuchte der Bau eines Atomkraftwerks lange und wäre mit hohen Kosten verbunden - zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 würde diese Option kaum etwas beitragen. 

Kromp-Kolb: Anhaltende Wetterlagen Teil des Klimawandels

NEOS

Nachhaltig soll bei den NEOS vor allem die Wirtschaft sein, aber auch zum Thema Klimaschutz finden sich einige Programmpunkte im pinken Buch.

  • Verkehr: Die NEOS setzen sich für eine "vernünftig" bepreiste CO₂-Steuer ein, von einer stärkeren finanziellen Belastung von klimaschädlichem Verhalten erhofft man sich Lenkungseffekte. So soll auch das Pendlerpauschale abgeschafft und Verkehr in Orts- und Stadtkernen reduziert werden. Radinfrastruktur soll ausgebaut werden. Vorbild soll der öffentliche Dienst sein: Die Verbrenner-Fahrzeugflotte im öffentlichen Dienst soll gegen klimafreundlichen Initiativen ersetzt werden. Die Ladeinfrastruktur für E-Autos soll ausgebaut werden, etwa entlang von Bahnhöfen, Park&Ride-Anlagen, Einkaufszentren und wichtigen Straßen.
  • Emissionen: Die NEOS wollen ein gesetzlich festgelegtes jährliches Treibhausgasbudget sowie wissenschaftliche Klimachecks für politische Entscheidungen
  • Energie: Ausstieg aus fossilen Energiequellen, insbesondere Entkopplung von Gas aus "Putins Russland", Stromnetzausbau, kritische Infrastruktur aus "Mutterunternehmen herauslösen". Außerdem wollen die NEOS Planungs- und Investitionssicherheit für Unternehmen schaffen und auch Impulse für Heizungstausch und thermische Sanierung setzen
  • Flächennutzung: Reduktion von Asphalt- und Betonflächen, Raumplanungskompetenz soll von den Gemeinden weg zu Ländern oder Bund wandern. Vernetzung von Wasser- und Grünraumplanung
  • Landwirtschaft: Förderung einer nachhaltigen, klein- und mittel-strukturierten Landwirtschaft. Die Landwirtschaft soll zudem bei Hochrüstung mit erneuerbaren Energien unterstützt werden, Vergütung der CO₂-Speicherung (bleibt offen, wie diese geschehen soll)

Relative Einigkeit bei erneuerbaren Energien

Die Parteien sind sich zumindest dahingehend einig, dass erneuerbare Energien in Österreich ausgebaut werden sollen. Aktuell besteht der Energiemix in Österreich laut der internationalen Energieagentur zu rund 35 Prozent aus Öl, rund 8 Prozent aus Kohle und 11 Prozent aus Wasserkraft. Gas macht rund 19 Prozent aus, Solarenergie und Windkraft jeweils rund 5 Prozent, Biokraftstoffe und Müll rund 22 Prozent.

Das Umsteigen auf erneuerbare Energien begründen allerdings nicht alle Parteien mit der Reduzierung von CO₂-Emissionen.

Warum CO₂-Speicherung nicht ausreicht

Die ÖVP, FPÖ und NEOS setzen in ihren Programmen auf die CO₂-Speicherung. Weltweit werden laut MIT 45 Millionen Tonnen CO₂ unterirdisch eingelagert, das entspricht den CO₂-Emissionen von nur zehn Millionen Pkws. Laut Umweltbundesamt lag der CO₂-Jahres-Ausstoß Österreichs 2022 bei 72,8 Millionen Tonnen - das heißt, nicht einmal Österreich könnte seine Emissionen in einem Jahr mit der weltweiten Kapazität an Carbon-Capture-Storage tilgen.

Damit CO₂-Speicherung, sogenannte "Carbon Capture Technologies" möglich sind, braucht es zudem örtlich spezielle geothermische Gegebenheiten. Aktuell wird in Europa zum Beispiel in Norwegen und Island CO₂ im Boden gespeichert. Wollte man österreichisches CO₂ (das ja in der Atmosphäre gasförmig vorliegt und keine Grenzen kennt) speichern, dann müsste auch hier eine Transportinfrastruktur in das Carbon-Capture-Werk geschaffen werden. 

CO₂ wird von Menschen bei allen Verbrennungsprozessen freigesetzt und treibt den Klimawandel voran. Deshalb der Vorschlag, CO₂ zu binden. Aber: Die Atmosphäre kann man sich wie eine Badewanne vorstellen - selbst wenn Wasser (also CO₂) abgeschöpft werden würde, wäre die Wanne immer noch voll. Wir rechnen CO₂-Ausstoß in Jahren, aber das ausgestoßene CO₂ verschwindet nicht - deshalb sind Speichertechnologien kaum nützlich, wenn es darum geht, die Emissionen zu verringern. 

 

ribbon Zusammenfassung
  • Der ultimative Klima-Guide zu den Parteiprogrammen.
  • Was schlagen FPÖ, SPÖ, Grüne, ÖVP und NEOS vor?
  • Die klimaschonenden und die klimaschädlichen Vorschläge aus den Wahlprogrammen im Überblick.