Hamas verlangt in Verhandlungen offenbar weiter Kriegsende
Nachdem am vergangenen Wochenende Vertreter aus den USA, Israel, Katar und Ägypten in Paris über eine erneute mögliche Feuerpause verhandelt hatten, wurde Hamas-Chef Haniyeh am Donnerstag oder Freitag zu Gesprächen in Kairo erwartet. Die militant-islamistische Palästinenser-Gruppe werde vermutlich eine positive Antwort übermitteln, aber ihre Forderungen bekräftigen, erklärte der Palästinenser-Vertreter. Er bekräftigte zudem, dass der bei Gesprächen in Paris mit Israel und den USA vereinbarte Vorschlag für eine Waffenruhe eine Freilassung der noch mehr als 100 Geiseln in der Gewalt der Hamas in drei Stufen vorsieht: Zunächst sollen die verbliebenen Zivilisten freigelassen werden, dann die Soldaten, und schließlich sollen die Leichen von Geiseln übergeben werden.
"Wir arbeiten an einer weiteren Vereinbarung zur Freilassung unserer Geiseln, aber nicht um jeden Preis", hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu am Mittwoch erklärt. Ein Abzug der israelischen Streitkräfte kommt für ihn demnach nicht infrage.
Während die Versorgung der Menschen im Gazastreifen immer weiter unter Druck gerät, gingen die seit fast vier Monate andauernden Kämpfe in der Nacht auf Donnerstag unvermindert weiter. Nach UNO-Angaben und Augenzeugenberichten konzentrierten sich die Gefechte vor allem auf die im Süden des Gazastreifens gelegene Stadt Khan Younis, in der sich nach israelischen Angaben hochrangige Anführer der Hamas versteckt halten.
Zeugen berichteten von israelischen Angriffen nahe des Nasser-Krankenhauses. Die israelische Armee hatte in den vergangenen Tagen mitgeteilt, Khan Younis umzingelt und Stellungen der Hamas im Osten der Stadt zerschlagen zu haben. Nach ihren Angaben konzentrieren sich die Kämpfe nun auf den westlichen Teil. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde meldete für den Zeitraum zwischen Mittwochabend und Donnerstagmorgen mindestens 119 Tote im Gazastreifen.
Die Vereinten Nationen berichteten ihrerseits ebenfalls von "intensiven Bombardierungen" im gesamten Gazastreifen, insbesondere in Khan Younis. Demnach hätten 184.000 Palästinenser humanitäre Hilfe beantragt, nachdem sie gezwungen waren, ihre Häuser und Wohnungen in der Stadt zu verlassen. Was gerade passiere, gleiche einem "Massaker", sagte der Einsatzleiter der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), Léo Cans, der Nachrichtenagentur AFP. Er forderte einen "sofortigen und vollständigen Waffenstillstand".
Einem Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge befinden sich die Menschen im Gazastreifen "am Rande des Abgrunds" und sterben vor allem an Hunger. Laut einem UNO-Bericht wurden durch den Krieg etwa die Hälfte aller Häuser beschädigt oder zerstört, das Gebiet ist demnach praktisch "unbewohnbar".
Nach schweren Vorwürfen gegen das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA hat Israels Regierungschef Netanyahu eine Neuordnung der Hilfen im Gazastreifen gefordert. Die UNRWA sei "komplett von der Hamas infiltriert" und müsse von anderen UNO-Organisationen ersetzt werden. Netanyahu zufolge "diente" die Infrastruktur des UNRWA mit ihren Schulen und anderen Einrichtungen der Hamas. Es brauche im Gazastreifen auch weiterhin eine Organisation für unabhängige Hilfe, "aber UNRWA ist nicht diese Organisation", sagte Netanyahu am Mittwochabend.
Zwölf Mitarbeiter des UNO-Palästinenserhilfswerks stehen im Verdacht, in den beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober verstrickt gewesen zu sein, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und zahlreiche Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Einige von ihnen wurden UNO-Angaben zufolge inzwischen entlassen. Das "Wall Street Journal" hatte unter Berufung auf ein israelisches Geheimdienstdokument berichtet, rund zehn Prozent aller Mitarbeiter des UNRWA im Gazastreifen hätten Verbindungen zur Hamas oder zum Islamischen Jihad.
Nachdem mittlerweile bereits 16 Länder - darunter auch Österreich - insgesamt 440 Millionen Dollar (407 Mio Euro) an Zahlungen an die UNRWA ausgesetzt haben, muss diese ihre Arbeit nach eigenen Angaben womöglich schon in vier Wochen einstellen. "Wenn die Finanzierung weiter ausgesetzt bleibt, werden wir höchstwahrscheinlich gezwungen sein, unsere Arbeit nicht nur in Gaza, sondern auch in der gesamten Region Ende Februar einzustellen", kündigte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini am Donnerstag an.
Zusammenfassung
- Hamas besteht auf einem dauerhaften Waffenstillstand und einem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen. Der aktuelle Vorschlag für eine Waffenruhe sieht eine Freilassung der mehr als 100 Geiseln in der Gewalt der Hamas in drei Stufen vor.
- Die Kämpfe im Gazastreifen dauern seit fast vier Monaten an und konzentrieren sich derzeit auf die Stadt Khan Younis. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben 184.000 Palästinenser humanitäre Hilfe beantragt.
- Seit dem Beginn des Krieges, der durch einen Angriff der Hamas auf Israel ausgelöst wurde, wurden mehr als 27.000 Menschen im Gazastreifen getötet.