"Grüne Gentechnik": Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die EU-Kommission hat am Mittwoch neue Pläne für einen deutlich lockeren Umgang mit der Neuen Gentechnik in der Landwirtschaft vorgestellt.
Was soll sich ändern?
Die aktuellen strengen Regeln rund um "Grüne Gentechnik" stammen aus dem Jahr 2001. Seitdem hat sich die grüne Gentechnik laut Agrarexperten weiterentwickelt. Durch die Lockerungen sollen etwa Verfahren wie die Gen-Schere Crispr/Cas einfacher zum Einsatz kommen. Diese erlaubt präzisere Eingriffe ins Erbgut und damit gezieltere Veränderungen. Damit könnte die Pflanzenzucht erheblich erweitert werden. Außerdem müssen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht mehr als solche gekennzeichnet werden.
Wie soll in Zukunft mit gentechnisch veränderten Pflanzen umgegangen werden?
Die EU-Kommission schlägt vor, gentechnisch veränderte Pflanzen in zwei Kategorien zu unterteilen. Für beide Kategorien sollen unterschiedliche Anforderungen gelten, um auf den Markt zu gelangen. Sind Pflanzen vollkommen vergleichbar mit natürlich vorkommenden Pflanzen, werden diese zwar einem Überprüfungsverfahren unterzogen, können dann aber als normale Pflanzen gelten und fallen somit nicht mehr in die aktuell geltende EU-Gentechnik-Richtlinie.
Pflanzen der zweiten Kategorie würden hingegen umfangreicheren Tests unterzogen. In die zweite Kategorie fallen Gewächse mit komplexeren Veränderungen im Genom. Sie müssten wie bisher die umfangreichen Verfahren zur Risikobewertung durchlaufen, die in der geltenden EU-Regelung vorgesehen sind.
Warum macht man das?
Die EU-Kommission erhofft sich, dass die "Grüne Gentechnik" zu einem "nachhaltigeren Lebensmittelsystem" beitragen kann.
Ziel ist es, dass schneller neue Pflanzen produziert werden können, die zum Beispiel widerstandsfähiger gegen Wassermangel oder Schädlinge sind. Das könne einen Beitrag zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sein, heißt es von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖWA).
Was fordern Wissenschaftler:innen?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drängen schon länger darauf, die strengen EU-Regeln für sogenannte "Grüne Gentechnik" zu lockern. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften veröffentlichte Ende Juni einen Appell, der eine "vorurteilsfreie und aufgeschlossen" Bewertung forderte. Die entstehenden Pflanzen sollen damit nach ihren Eigenschaften, nicht nach ihrer Erzeugungsmethode beurteilt werden, heißt es von der ÖWA.
Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, den Entwurf hingegen als "Schritt in die richtige Richtung. Mit den neuen Regelungen kann das Potenzial der Forschung in dem Bereich besser ausgeschöpft werden. In Österreich müssen wir nun endlich in zu einer faktenbasierten Debatte kommen."
https://twitter.com/oeaw/status/1674384569011695616
Die deutsche Akademie der Naturwissenschaften "Leopoldina" spricht ebenfalls davon, dass damit Landwirtschaft produktiver, pestizidärmer und ressourcenschonender betreiben zu können und Ernährung zu sichern.
Von wem kommt Kritik?
NGOs kritisieren heftig. Sie fürchten, dass große Lebensmittelkonzerne in Zukunft noch mehr Kontrolle über die Lebensmittelproduktion bekommen könnten. Man befürchtet etwa, dass gentechnisch veränderte Pflanzen als Futtermittel mit konventionellem Saatgut gleichgesetzt werden könnte. Aktuell seien die Regelungen zu streng dafür.
Greenpeace-Landwirtschaftssprecherin Melanie Ebner fordert von Landwirtschaftsminister Totschnig ein klares "Nein" zur neuen Gentechnik: "Die Menschen in Österreich und Europa haben ein Recht darauf zu erfahren, was auf ihren Tellern landet. Auch Bäuerinnen und Bauern müssen weiterhin die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, ob Gentechnik auf ihren Feldern eingesetzt wird oder nicht."
Verbraucherschützer befürchten, dass Konsument:innen sich nicht mehr bewusst gegen Essen entscheiden können, das durch Gentechnikmethoden verändert wurde, da es nicht mehr ausgewiesen werden muss.
Besteht Sorge für die Gesundheit?
Mehr Risiken für die menschliche Gesundheit sehen weder die EU-Kommission noch Forscher. NGOs behaupten, dass Langzeitfolgen durch die Genmanipulation zu wenig erforscht sei.
Wie geht es nun weiter?
EU-Staaten und Europaparlament müssen die Vorschläge diskutieren und einen Kompromiss ausarbeiten.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte bereits Widerstand aus Österreich an. Sie sprach am Mittwoch vor dem Ministerrat von "wirklich großer Sorge" angesichts der Pläne. "Wenn man wirklich regelt, dass die Wahlfreiheit genommen wird, dann ist das mit Sicherheit etwas, das wir von Österreich aus sicher mit großer Konsequenz bekämpfen werden", sagte sie.
Zusammenfassung
- Die EU-Kommission will den Umgang mit der Grüne Gentechnik lockern.
- NGOS kritisieren scharf.
- Ein PULS 24-Überblick, worum es in der Diskussion geht.