Giftgas und Überwachungsstaat: So herrschte Assad
Die überraschende Offensive, die islamistische Kämpfer der Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und verbündete Verbände am 27. November begannen, bereitete dem Assad-Regime nun ein Ende. 54 Jahre hielten sich die Assads - 2000 übernahm Sohn Bashar von seinem Vater- auch während 13 Jahren Bürgerkrieg eisern an der Macht.
"Der Tyrann Bashar al-Assad ist geflohen", verkündeten die islamistischen Kämpfer Sonntagfrüh im Onlinedienst Telegram. Ihr Einmarsch in die Hauptstadt Damaskus ohne großen Widerstand der Armee bedeute "das Ende dieser dunklen Zeit und der Beginn einer neuen Ära für Syrien". HTS-Chef Abu Mohammed al-Golani küsste am Sonntag in Damaskus den Boden.
Fotos: Der HTS-Chef in Damaskus:
Syrer:innen auf der ganzen Welt - so auch in Wien - feierten auf den Straßen den Niedergang des Regimes. In Damaskus wurden die Paläste von Assad geplündert - eine Eingangshalle stand sogar kurzzeitig in Flammen.
Fotos: Assads Paläste werden geplündert:
Der heute 59-Jährige Bashar al-Assad hatte die Macht im Land im Jahr 2000 von seinem kurz zuvor verstorbenen Vater Hafez al-Assad übernommen. Ursprünglich war sein älterer Bruder Bassel als Nachfolger bestimmt gewesen, dieser starb jedoch 1994 bei einem Autounfall.
Vom Hoffnungsträger zum Kriegsherren
Bashar al-Assad beendete daher sein Medizinstudium in London und kehrte heim. Dort ließ er sich militärisch ausbilden und von seinem Vater auf die Regierungsgeschäfte vorbereiten, statt Augenarzt zu werden und mit seiner syrisch-britischen Frau Asma und seinen drei Kindern ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtetes Leben zu führen.
Nach dem Tod seines Vaters wurde Assad in einem Referendum ohne Gegenkandidaten zum neuen syrischen Staatschef bestimmt. Als der damals 34-Jährige für das Amt vereidigt wurde, verbanden viele Syrer damit die Hoffnung, dass er die jahrelange Unterdrückung und den unter seinem Vater etablierten Überwachungsstaat beenden und eine Liberalisierung der Wirtschaft einleiten werde.
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Tatsächlich lockerte er einige der umfangreichen Restriktionen, die sein Vater seit Beginn seiner Herrschaft 1970 verfügt hatte. Außerdem inszenierte der Alawit sich als Beschützer der verschiedenen Minderheiten im Land. Doch sein Image als bürgernaher Reformer verflüchtigte sich schnell.
Unter Bashar al-Assads Herrschaft, die bei der Präsidentschaftswahl 2007 verlängert wurde, wurden Intellektuelle und andere Regierungskritiker inhaftiert.
Proteste brutal niedergeschlagen
Als der Arabische Frühling im März 2011 Syrien erreichte, forderte die Bevölkerung in friedlichen Protesten einen Wandel. Doch Assad, Präsident und Oberbefehlshaber der syrischen Armee zugleich, ließ die Proteste brutal niederschlagen. Ein Bürgerkrieg brach aus, in dem mehr als eine halbe Million Menschen getötet und die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen wurden.
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Assad blieb dennoch hart. In zahllosen Karikaturen wurde der stets so ruhig auftretende und oftmals schüchtern wirkende Machthaber als Mörder dargestellt, insbesondere nach den Giftgasangriffen auf Rebellenhochburgen rund um Damaskus im Jahr 2013.
Dennoch wurde Assad in mehreren Wahlen im Amt bestätigt. Allerdings wurden diese nur in von seiner Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, Menschenrechtsgruppen und westliche Länder warfen Assad immer wieder vor, dass die Wahlen weder frei noch fair seien.
Unterstützer Russland und Iran
Um sich in dem Bürgerkrieg an der Macht zu halten, suchte Assad nicht nur beim Iran und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon, sondern auch bei Russland Unterstützung. Das Eingreifen Moskaus mit massiven Luftangriffen in Syrien hielt Assad 2015 an der Macht. Dem Volk und dem Ausland präsentierte er sich als Syriens einzig möglicher Machthaber angesichts der Bedrohung durch islamistische "Terroristen".
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Um Regierungskritiker wegzusperren, baute Assads Sicherheitsapparat baute ein Netzwerk aus Haftzentren auf. Sie waren berüchtigt wegen der Misshandlung von Häftlingen. Am Sonntag wurden die ersten gefangenen - darunter auch Islamisten - freigelassen.
Assad hat immer wieder behauptet, der Bürgerkrieg in Syrien werde von ausländischen Mächten orchestriert. Diesen Vorwurf erneuerte er nach dem Beginn der Überraschungsoffensive der islamistischen Kämpfer rund um HTS.
Luxusimmobilien in Moskau
"Die terroristische Eskalation spiegelt die langfristigen Ziele wieder, die Region zu spalten und die Länder darin zu zersplittern und die Landkarte in Übereinstimmung mit den Zielen der USA und des Westens neu zu zeichnen", sagte er noch am Montag.
Nun hat er Asyl in Moskau bekommen und in Syrien weder Rückhalt von Volk noch Armee. Moskau war durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Iran durch seine Auseinandersetzungen mit Israel abgelenkt. Assads Familie soll in Moskau mehrere Luxusimmobilien besitzen. Wie es in Syrien weitergeht, ist derzeit unklar.
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Nahost-Expertin Gudrun Harrer im Interview
Zusammenfassung
- Fast ein Vierteljahrhundert hat Bashar al-Assad in Syrien geherrscht, in mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg hielt er sich eisern an der Macht.
- Nun wurde er in einer überraschenden Offensive der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) gestürzt und floh nach Russland.
- Ein Rückblick auf seine Herrschaft.