FPÖ-Dringliche: Die (Nicht-)Beantwortung durch Claudia Plakolm im Wortlaut
Die (Nicht-)Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der FPÖ an Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Nationalrat hat am Mittwoch die Opposition schwer verärgert. Die Freiheitlichen wollten den ÖVP-Chef zu seinen Parteifinanzen und diversen türkisen Skandalen befragen. Am Rednerpult vertrat allerdings Staatssekretärin Claudia Plakolm den Kanzler - und redete lieber über das Antiteuerungspaket der Regierung. Eine "Farce", befand die Opposition.
Die Fragen und Antworten im Wortlaut
- Wie wirken sich die permanent aufschlagenden ÖVP-Finanzskandale auf die Arbeit der Bundesregierung aus?
- Inwieweit beeinträchtigen diese Skandale Ihre Amtsführung?
- Wie beurteilen Sie den Umstand, dass Sie den von Rechnungshof beanstandeten Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Jahr 2019 als damaliger Generalsekretär der ÖVP unterfertigt haben, in rechtlicher und in politischer Hinsicht?
- Halten Sie die Bundesregierung, vor dem Hintergrund der stabil schlechten Umfragewerte von rund 30 %, für hinreichend legitimiert im Amt zu verbleiben?
Plakolm: "Zu den Fragen 1 bis 4: Das ist nicht Gegenstand der Vollziehung."
- Haben Sie die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage oder andere Maßnahmen in Aussicht genommen, um unerlaubte Geld- und Sachspenden von Ministerien an Parteien grundsätzlich zu verhindern, zumal nach Ansicht des Rechnungshofes Meinungsumfragen im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen parteipolitisch und zugunsten der ÖVP durchgeführt worden wären?
Plakolm: "Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. Zum Parteiengesetz sind Änderungen geplant, insbesondere eine verstärkte Transparenz und stärkere Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes. Zu einem entsprechenden Initiativantrag fand vor kurzem eine umfassende Ausschussbegutachtung statt, die am 10. Juni geendet hat. Dazu finden derzeit Gespräche innerhalb der Koalition bzw. der Klubs statt."
- Wenn ja, welche Maßnahmen sind in Aussicht genommen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema "Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern" auf seinen Prüfplan setze?
Plakolm: "Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung."
- Haben Sie oder Ihre Amtsvorgänger oder Ihre, beziehungsweise deren Kabinettsmitarbeiter beim UPTS zugunsten der ÖVP zu intervenieren versucht, zumal der Rechnungshof bereits bei seiner Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2016 Bedenken, dass im Zusammenhang mit dem Österreichischen Seniorenbund eine Verletzung des Parteiengesetzes vorliegen könnte, hatte, und deshalb eine Mitteilung an den UPTS erstattete, in der es konkret darum ging, dass der Seniorenbund Wolkersdorf eine Spende der Stadtgemeinde Wolkersdorf erhalten habe, zumal der Rechnungshof der Ansicht war, der Seniorenbund Wolkersdorf sei der ÖVP zuzurechnen und nicht etwa ein gleichnamiger Verein?
Plakolm: "Nein, die Mitglieder des unabhängigen Parteien-Transparent-Senates sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Das ist verfassungsrechtlich abgesichert, auch die im Bundeskanzleramtes eingerichtet Geschäftsstelle des unabhängigen Parteien-Transparent-Senates agiert unbeeinflusst und ausschließlich im Auftrag der unabhängigen Mitglieder des unabhängigen Parteien-Transparent-Senates."
- Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen schlagen Sie vor, um sicherzustellen, dass die Doppelnatur des Österreichischen Seniorenbundes als Partei und Verein in Zukunft nicht mehr rechtsmissbräuchlich verwendet werden kann, zumal der Rechnungshof die Ansicht vertritt, dass jedenfalls für das Jahr 2019 die Vereine "Österreichischer Seniorenbund" der Teilorganisation der ÖVP zuzurechnen sind?
- Gibt es Initiativen der Bundesregierung um die, vermeintlich dolos vom Österreichischen Seniorenbund ergatterten Steuergelder zurückzuerhalten beziehungsweise unterstützen Sie solche Bemühungen?
- Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, dass inseratenähnliche Einschaltungen im Jahr 2019 in Medien, deren Medieninhaber oder Herausgeber der Verein Österreichischer Seniorenbund war, vom Rechnungshof als Wahlwerbung, die in der Spendenliste aufscheinen müsste, zugunsten der ÖVP qualifiziert wurde?
- Können Sie ausschließen, dass durch ÖVP-nahe oder öffentliche Institutionen Geldmittel in die maroden Parteikassen der Volkspartei geflossen sind, zumal diese laut Berichten der Wochenzeitung Falter im Jahr 2017 einen Schuldenstand von rund 21,5 Millionen Euro hatte, dieser jedoch im Jahr 2019 – nach öffentlichen Aussagen – bereits reduziert werden konnte?
- Wieviel umgeleitetes Steuergeld aus grauen Quellen wurde für die Umsetzung des Projekts Ballhausplatz verwendet, zumal vielfach davon berichtet wird, dass die Amtsübernahme von Sebastian Kurz der Volkspartei viel Geld gekostet hat, weil sein Stab und seine Mitarbeiter massive Aufwendungen für die Abwicklung des "Projekts Ballhausplatz" aufgewendet haben und davon auszugehen ist, dass dieser Übernahmeplan der ÖVP auch durch Sie in ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär unterstützt wurde.
Plakolm: "Zu den Fragen 8 bis 12: Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung."
- Sind Anzeigen beim UPTS, der Ihrem Ressort zugeordneten ist, betreffend einer von der ÖVP parallel geführten Buchhaltung, von welcher die Wochenzeitung Falter im Jahr 2019 berichtete, eingegangen, was darauf schließen lassen würde, dass Sie in Ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär involviert gewesen wären?
Plakolm: "Die Mitglieder des unabhängigen Parteien- und Transparent-Senats sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisung gebunden. Die Mitglieder sind keinem Regierungsmitglied berichtspflichtig."
- Haben Sie die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage oder andere Maßnahmen in Aussicht genommen, um die mutmaßlich von der ÖVP praktizierte Praxis der doppelten oder mehrfachen Buchführung besser ahnden zu können?
- Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen nehmen Sie in Aussicht, um eine Umgehung des Parteiengesetzes, wie im Falle der "Vorarlberger Wirtschaft" vom Rechnungshof aufgezeigt, in Zukunft zu verhindern?
- Sind Ihnen weitere ähnliche Beispiele aus Ihrer Partei bekannt, die diesbezüglich für eine Novelle des Parteiengesetzes von Interesse sind, zumal alleine im Fall der "Vorarlberger Wirtschaft" ein Anzeigenpreis von über 1.600.000 Euro verrechnet wurde, obgleich lediglich 268.000 Euro fremdüblich gewesen wären?
- Sind Sie, vor dem Hintergrund, dass der Rechenschaftsbericht 2019 der ÖVP unter "Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation" einen nach Ansicht des Rechnungshofes offenkundig falsch ausgewiesenen Betrag von 500.000 Euro vermerkt, dafür, dass die Strafen für unrichtige Angaben in Rechenschaftsberichten angehoben werden?
- Überlegen Sie, vor dem Hintergrund der Causa "INNOVA" legistische Maßnahmen, um Gratis-Werbung (inseratenähnliche Beiträge) zugunsten einer Partei oder ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten als Spende im Sinne des Parteiengesetzes künftig gänzlich zu vermeiden, zumal alleine in diesem Fall 64.000 Euro, als Spende ausgewiesen und sofort gemeldet hätte werden müssen?
Plakolm: "Zu den Fragen 14 bis 18: Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. Zum Parteiengesetz sind Änderungen geplant, insbesondere eine verstärkte Transparenz und stärkere Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes. Zu einem entsprechenden Initiativantrag fand vor kurzem eine umfassende Ausschussbegutachtung statt, die am 10. Juni geendet hat. Dazu finden derzeit Gespräche innerhalb der Koalition bzw. mit dem Klub statt."
- Welche ähnlichen Fälle sind Ihnen aus Ihrer Partei bekannt, die für die Novellierung des Parteiengesetzes hinsichtlich inseratenähnlicher Beiträgen spricht?
- Können Sie bestätigen, dass es sich bei dem großzügigen ÖVP-Spender – die ÖVP Niederösterreich erhielt laut Rechenschaftsbericht 2019 einen Betrag von 3.030.431,51 Euro aus "Zahlungen von nahestehenden Organisationen" – wie vom Rechnungshof vermutet, um den "Niederösterreichischen Gemeindebund" handelt?
- Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um den vom Rechnungshof aufgrund des Rechenschaftsberichts 2019 aufgeworfenen Vorwurf einer möglichen unzulässigen Spende aus dem Landwirtschaftsministerium im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauernbundball in der Höhe von 43.200 Euro unter der damals verantwortlichen Ministerin Elisabeth Köstinger aufzuklären?
- Kam es zu ähnlichen Spenden aus anderen ÖVP-geführten Ministerien?
- Wie erklären Sie die Ungereimtheiten zwischen der zweiten und dritten Fassung des eingereichten Rechenschaftsberichts 2019 betreffend Kreditaufnahme und Kreditrückzahlung der Kärntner Volkspartei, zumal Sie selbst als Bundesparteiobmann der ÖVP die dritte Fassung erst am 27.4.2022 – zu dem Zeitpunkt waren Sie bereits Bundeskanzler – gezeichnet haben?
Plakolm: "Zu den Fragen 19 bis 23: Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung."
- Ist in diesem Lichte eine Verschärfung der Strafbestimmungen des Parteiengesetzes hinsichtlich falscher Angaben gegenüber dem Rechnungshof angezeigt?
Plakolm: "Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. Zum Parteiengesetz sind Änderungen geplant, insbesondere eine verstärkte Transparenz und stärkere Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes. Zu einem entsprechenden Initiativantrag fand vor kurzem eine umfassende Ausschussbegutachtung statt, die hat am 10. Juni geendet. Die Gespräche in der Koalition bzw. mit den Klubs laufen."
- Können Sie vor dem Hintergrund dessen, dass der Journalist Martin Thür vorläufig bereits knapp 900 Vereine im "Parteiumfeld" der ÖVP ausfindig machen konnte, ausschließen, dass diesen Vereinen aus den ÖVP-geführten Ministerien bzw. insbesondere Ihrem Ressort in den Jahren 2012 bis 2022 finanzielle Mittel zugeflossen sind?
- Wenn nein, welchem der österreichweit hunderten ÖVP-Vereinen auf der Liste von Martin Thür wurden welche finanziellen Mittel jeweils in den Jahren 2012 bis 2022 zuteil?
Plakolm: "Zu den Fragen 25 und 26: Es ist weder vom Umfang des Interpellationsrecht umfasst noch faktisch möglich in der Zeit, die für die Vorbereitung der Beantwortung der hier gestellten Fragen zur Verfügung stand Zahlungen an knapp 900 Vereine einer Liste zu überprüfen. Sofern diese Zahlungen im Vollzugsbereich des Bundeskanzleramtes bereits im Rahmen der parlamentarischen Interpellation zulässig abgefragt wurden, wurden die entsprechenden Informationen bereits erteilt. Dies gilt für zukünftige Anfragen und deren Beantwortung.
- Haben Sie Zuwendungen aus dem NPO-Coronafonds an Ihre Partei, beziehungsweise deren Teilorganisationen oder Vereine im "Parteiumfeld" der Liste von Martin Thür, mit dem Vizekanzler erörtert?
- Wenn ja, was war der Inhalt des Gespräches und inwiefern wurde die Zulässigkeit solcher Zuwendungen aus dem NPO-Coronafonds in rechtlicher und politischer Hinsicht beurteilt?
Plakolm: "Zu den Fragen 27 und 28: Dazu hat der Vizekanzler bereits öffentlich Stellung genommen."
- Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen, sind daraus zu ziehen, dass der Ihnen als Generalsekretär der ÖVP im Jahr 2019 unmittelbar als Bundesgeschäftsführer der Partei unterstellte Nationalratsabgeordnete Alexander Melchior zwar in seiner Befragung im Untersuchungsausschuss vom 5. März 2021 bestätigte, dass ihm jede Spende im Untersuchungszeitraum 2017-2019, bekannt war (wörtlich meinte er: "Jede Spende, die wir erhalten haben, finden Sie auch im Rechenschaftsbericht, und die Rechenschaftsberichte, auch im Untersuchungsausschuss, sind mir bekannt."), Spenden von IGO Industries GmbH an die ÖVP nunmehr jedoch dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) vom Rechnungshof gemeldet wurden, um Fragen betreffend des Zeitpunkts der Spenden und einer allfälligen unverzüglichen Meldepflicht zu klären – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Alexander Melchior sein Amt als ÖVP-Generalsekretär im Februar 2022 zurücklegte und beruflich zu besagter IGO Industries GmbH wechselte?
- Welche Konsequenzen betreffend der nunmehr aufgetauchten Spenden von der IGO Industries GmbH an die ÖVP ziehen Sie, zumal der Abgeordnete Melchior von diesem im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss nichts wissen wollte?
- Haben Sie oder Mitarbeiter Ihres Kabinetts die diesbezügliche Aussage des Abgeordneten Melchior im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss abgesprochen?
Plakolm: "Zu den Fragen 29 bis 31: Dazu ist mir nichts bekannt."
- Wann haben Sie erstmals von der Spende der IGO Industries GmbH an die ÖVP erfahren?
- Welche Konsequenzen werden Sie ziehen, falls der UPTS rechtswidriges Handeln in Ihrem Verantwortungsbereich feststellt?
Plakolm: "Zu den Fragen 32 bis 33: Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung."
"Eine einzige Farce"
Plakolms Rede war von Anfang an von Zwischenrufen begleitet, weshalb Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) um "Contenance" bat. Die Staatssekretärin wiederum blieb nicht wirklich beim Thema, sondern beklagte den unprofessionellen Ton im Hohen Haus und meinte, die Sorgen der "Menschen" seien ganz andere als das Thema der Anfrage, nämlich wie die Politik die Teuerungen ausgleiche.
Das eingebüßte Vertrauen in die gesamte Politik könne man nur mit Sacharbeit zurückgewinnen, tadelte sie mehrmals die Opposition. Inhaltlich ging die Staatssekretärin in den meisten Punkten nicht auf die Anfrage ein. "Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung", lautete der häufigste Satz.
Es folgte eine Geschäftsordnungsdebatte und eine "Stehung", denn den Abgeordneten der Opposition war das eindeutig zu wenig. Plakolm habe auch Antworten auf Fragen verweigert, die sehr wohl vom Fragerecht umfasst wären, ist Nikolaus Scherak von den NEOS überzeugt. "Eine einzige Farce", schimpfte auch Leichtfried.
Sobotka gab danach bekannt, dass Plakolm zwei Fragen noch einmal ausreichend beantworten werde. Wo sie sich darauf berufen hatte, dass Fragen nicht vom Interpellationsrecht umfasst gewesen seien, versprach er eine Prüfung durch den rechtswissenschaftlichen Dienst des Parlaments.
Eineinhalb Stunden später tat Plakolm dies. In einer kurzen Wortmeldung bestritt sie Interventionsversuche beim Unabhängigen Parteientransparenzsenat (UPTS) und sah keine unrechtmäßigen Auszahlungen aus dem NPO-Fonds an den ÖVP-Seniorenbund.
Ungewöhnliche Kritik der Grünen
In der Debatte prasselten weiter die Vorwürfe auf die Kanzlerpartei ein. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz brachte einen (letztlich nur von der FPÖ unterstützten und damit abgelehnten) Misstrauensantrag gegen Nehammer ein, denn "Sie sind nicht mehr tragbar für diese Republik". Leichtfried sprach von einem "denkwürdigen Sittenbild", und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) attestierte der ÖVP, "dass diese Partei kaputt ist".
Überraschend scharfe Kritik an Plakolm kam von Grünen-Klubobfrau Sigrd Maurer. Die Beantwortung der Dringlichen Anfrage sei "wirklich ungenügend" gewesen, schalt sie ihre Koalitionskollegin. Die Staatssekretärin könne das besser machen, "ich erwarte es", so Maurer. Doch auch die FPÖ kritisierte sie, denn diese versuche, von der eigenen Korruptionsverurteilungsgeschichte abzulenken. Andreas Ottenschläger (ÖVP) hingegen erkannte an der Dringlichen Anfrage wenig außer "parteipolitisches Hickhack".
Zusammenfassung
- Am Mittwoch ließ sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) von Claudia Plakolm bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der FPÖ vertreten. Die Beantwortung verärgerte die Opposition schwer. Die Fragen und Antworten im Wortlaut.