Nehammer in Göttweig: "EU muss wettbewerbsfähiger werden"
Die EU müsse rasch wieder an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA, Indien und China gewinnen. "Bedrohlich" nannte der Kanzler, dass derzeit 350 Milliarden Euro aus der EU hinaus investiert würden. Die EU müsse besonders in den Bereichen Forschung und Entwicklung wieder stärker werden. Damit würden auch Wohlstand und sozialer Frieden gesichert werden. "Radikale Kräfte" in der EU am linken und rechten Rand würden Ängste der EU-Bürger dazu benützen, um die EU zu schwächen. Daher sollte auch der Kampf gegen die illegale Migration verstärkt werden, auch durch Asylverfahren in sicheren Drittstaaten.
Afrika nannte Nehammer den "Kontinent der Zukunft", wegen Rohstoffen und erneuerbaren Energien, auch beim grünen Wasserstoff. Die EU müsse mit afrikanischen Politikern aber "auf Augenhöhe" sprechen. Daher sei die "Friedenskonferenz" zur Ukraine in der Schweiz vergangene Woche überaus wichtig gewesen. Um Frieden in der Ukraine zu erreichen, müsse man auch mit Russland ins Gespräch kommen, wofür die EU Verbündete in Asien, Afrika und Lateinamerika gewinnen müsse.
Nehammers Gast, der Liechtensteiner Regierungschef Daniel Risch, hob den Europarat mit 46 Mitgliedsstaaten als wichtiges Forum hervor. Auf eine Frage der APA, ob Liechtenstein, auch als "Nettozahler", nicht besser der EU betreten sollte, erklärte Risch: "Wir sind vor 30 Jahren dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR als Vorstufe zur EU beigetreten, und fühlen uns dort gemeinsam mit Island und Norwegen sehr wohl. Aber wir verfügen über gute Kontakte zu EU-Staaten." Risch kündigte als einen Beitrag Liechtensteins ein "Buch für Europa" an. Dazu seien alle Europaratsmitglieder bereits eingeladen worden, Texte zu liefern.
Beim 28. "Europaforums Wachau" auf Stift Göttweig forderte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Freitag eine schnellere EU-Integration der Staaten des Westbalkan, mit denen er zusammen mit Kollegen aus sechs EU-Staaten (Griechenland, Italien, Kroatien, Slowakei, Slowenien und Tschechien) genau vor einem Jahr die Initiative "Freunde des Westbalkan" gegründet hat.
"Den Menschen am Westbalkan haben wir schon vor 20 Jahren die EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Dieses Versprechen sollten wir endlich einlösen. Die Freunde des Westbalkan bleiben Taktgeber und starker Fürsprecher für den Westbalkan. Denn ohne den Westbalkan ist die EU nicht vollständig", so Schallenberg. Schon vor ihrem EU-Beitritt sollten diese Staaten enger mit EU Mitgliedsländern in einzelnen Politikbereichen kooperieren. Schallenberg: "Unser Ziel ist es, die Staaten des Westbalkans noch stärker in die EU-Außenpolitik einzubeziehen. Je enger wir uns abstimmen, desto stärker ist unsere Stimme in der Welt. Das betrifft Handel, Migration aber auch den Bereich der Sicherheit."
Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter und Vizepräsident der EU-Kommission, sagte im Gespräch mit der APA: "Ich bin Alexander Schallenberg sehr dankbar, dass er gerade jetzt solche Veranstaltungen durchführt, bei denen wir die Politiker aus dem Westbalkan besser verstehen lernen. Es herrscht derzeit ein wichtiges politisches Momentum für die Erweiterung. Der Krieg in der Ukraine hat einen Nebeneffekt: Die Erweiterung ist zuletzt ins Stocken geraten, aber nun, da die Ukraine den Kandidatenstatus erlangt hat, wurde auch der Erweiterung insgesamt ein neuer Schwung verliehen. Natürlich kann sich die Ukraine nicht an der Schlange der alten Beitrittskandidaten vorbeischummeln."
Das Treffen von Ministern aus sechs EU-Ländern und sechs Westbalkanstaaten im Stift Göttweig bezeichnete Schallenberg als "EU-Außenministerrat der Zukunft". Der Westbalkan sei schon jetzt Teil der europäischen Familie. "Wir müssen Prozess des Beitritts deutlich beschleunigen".
Das diesjährige Europa-Forum Wachau steht bis Samstag unter dem Motto "Rebooting Europe" (Neustart für Europa). Der EU-Außenbeauftragte Borrell erhielt am Freitag in Göttweig den neu geschaffenen "Dr. Alois-Mock-Europa-Preis". Schallenberg lobte Borrell für sein "Engagement für die gemeinsame Zukunft Europas."
Borrell würdigte den Mock-Preis als "große Belohnung für meine Arbeit" und mahnte zu mehr Einigkeit unter Europäern: "Ein Europa der Mauern und nationaler Alleingänge bietet keine Lösungen". Die politische Freiheit, der Wohlstand und soziale Zusammenhalt in der EU müssten verteidigt werden, so Borrell. Die Beendigung des Kriegs in der Ukraine sei der "Schlüssel für die Zukunft Europas". Die EU sei ohne die Staaten des Westbalkan nicht komplett.
Zusammenfassung
- Bundeskanzler Karl Nehammer betonte beim Europa-Forum Göttweig die Notwendigkeit, die EU wettbewerbsfähiger zu machen und warnte vor einem Kapitalabfluss von 350 Milliarden Euro aus der EU.
- Der Westbalkan wird von Nehammer als wichtiger Zukunftsraum für Österreich gesehen, besonders im wirtschaftlichen Bereich.
- Außenminister Alexander Schallenberg forderte eine schnellere EU-Integration der Westbalkan-Staaten und betonte die Bedeutung der Initiative 'Freunde des Westbalkan'.
- EU-Außenbeauftragter Josep Borrell lobte Schallenbergs Initiative und betonte die Bedeutung der EU-Erweiterung, besonders im Kontext des Ukraine-Kriegs.
- Afrika wurde von Nehammer als wichtiger Partner für erneuerbare Energien und Rohstoffe hervorgehoben, wobei die EU auf Augenhöhe mit afrikanischen Politikern sprechen müsse.