75 Jahre NATO: Nach Sinnkrisen so relevant wie lange nicht
Als in Washington am 4. April 1949 zwölf Staaten den Nordatlantikvertrag zur Gründung der NATO(North Atlantic Treaty Organization) unterzeichneten, fürchtete man die Expansion der Sowjetunion.
Der Zweite Weltkrieg war erst vier Jahre her, Österreich war noch von sowjetischen, US-amerikanischen, britischen und französischen Truppen besetzt.
Neben den USA und Kanada wurden ausschließlich europäische Länder Teil des neuen Bündnisses zur Verteidigung gegen die wachsende Sowjetunion. Die USA sollten mit ihrer militärischen Übermacht als Abschreckung dienen, damit Drittstaaten nicht auf die Idee kamen, Verbündete in Europa anzugreifen.
Beistand bei einem Angriff
Teil des Vertrags war bereits damals der viel besprochene Artikel 5. Er besagt, dass ein militärischer Angriff auf einen Verbündeten von den anderen Mitgliedsstaaten wie ein Angriff auf sie selbst zu werten ist.
Tritt dieser Fall ein, heißt das aber noch lange nicht, dass NATO-Staaten sofort Truppen entsenden. Tatsächlich wird erst vom höchsten politischen Gremium der NATO, dem Nordatlantikrat, festgestellt, ob es zu einem sogenannten Bündnisfall gekommen ist. Alle Mitgliedsstaaten haben hier eine Stimme, für eine Entscheidung müssen sie sich einig sein.
Video: NATO feiert 75-jähriges Bestehen
Auch ob es zu Waffengewalt kommen soll, bleibt offen. Nicht jeder bewaffnete Angriff gegen ein NATO-Mitglied führt daher automatisch zu einer bewaffneten Antwort.
In den 75 Jahren seit Gründung der NATO hat man sich erst einmal auf Artikel 5 berufen, nach den Terroranschlägen auf die USA am 11. September 2001. Die NATO stellte damals die Schutzmission ISAF (International Security Assistance Force) in Afghanistan.
Sinnkrise in der NATO
Waren es 1949 noch zwölf Staaten, stießen bereits 1952 Griechenland und die Türkei hinzu. 1955 folgte schließlich auch die Bundesrepublik Deutschland.
Diese Erweiterung ließ die Sowjetunion nicht unbeantwortet, noch im selben Jahr gründete sie den Warschauer Pakt. Ebenfalls 1955 wurde in Österreich unter der Voraussetzung der "immerwährenden Neutralität" der Staatsvertrag unterzeichnet und die Besatzungsmächte abgezogen.
1982 wurde die NATO um Spanien erweitert, nach dem Ende des Kalten Krieges 1989-1991 fand sich das Militärbündnis aber in einer Sinnkrise wieder. Die Sowjetunion als "Hauptfeind" existierte nicht mehr, der Warschauer Pakt war mit ihr zerfallen, viele Länder reduzierten ihre militärischen Kapazitäten - was nun?
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Die NATO transformierte sich in der Folge: Aus einem internationalen Verteidigungsbündnis wurde ein internationales Sicherheitsbündnis, das nach außen, aber auch nach innen, für Frieden sorgen sollte. Dazu integrierte die NATO die ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas politisch und militärisch. Den Anfang machten 1999 Tschechien, Polen und Ungarn, 2004 folgten die baltischen Staaten sowie Rumänien, Slowenien und die Slowakei.
Große Beliebtheit
Mittlerweile sind 32 Staaten Teil der NATO, doch eine Mitgliedschaft ist so beliebt wie lange nicht mehr. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine lässt die Rüstungsausgaben vieler Staaten wieder steigen, erneut fürchtet man eine Expansion, diesmal von Russland, sollte es die Ukraine besiegen.
Das Bündnis hat in Russland wieder einen "Hauptfeind", die Bedrohung spüren besonders die baltischen Staaten.
Genau vor einem Jahr, am 4. April 2023, wurde daher Finnland ins Bündnis aufgenommen, im März 2024 folgte Schweden. Am Mittwoch macht NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar, dass über kurz oder lang auch die Ukraine Mitglied werden würde.
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Er schlug auch ein 100 Milliarden Euro schweres Paket zur Unterstützung der Ukraine an.
Video: Was bringt NATO-Mitglied Schweden mit?
Österreich und die NATO
Als neutrales Land ist Österreich nicht Teil der NATO, diese Neutralität wurde aber zuletzt immer wieder diskutiert. Ein Beitritt sei derzeit aber kein Thema, so der Vertreter der NATO-Staaten in Österreich, Sloweniens Botschafter Aleksander Geržina.
Österreich unterstützt die NATO allerdings seit beinahe 30 Jahren, seit dem Beitritt zur "Partnerschaft für den Frieden". In den 90er Jahren nahm das Bundesheer etwas erstmals an gemeinsamen Manövern teil, seit 1999 ist es unter NATO-Kommando im Kosovo tätig.
Für die NATO ist eine der nächsten Fragen, wer Stoltenberg als NATO-Generalsekretär folgen soll. Sein Vertrag endet im September, zum Jubiläumsgipfel im Juli soll spätestens bekannt gegeben werden, wer ihm nachfolgt. Als Favorit gilt der scheidenden niederländische Premierminister Mark Rutte. Aber auch Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, macht sich offenbar Hoffnungen auf den Job.
Klar ist, es ist eine Position, die so relevant ist wie lange nicht mehr.
Zusammenfassung
- Die NATO feiert Geburtstag, gegründet wurde sie ursprünglich als kollektive Verteidigung gegen die damalige Sowjetunion.
- In ihrem 75-jährigem Bestehen musste sich der Nordatlantikpakt bereits mehrmals umorientieren - so relevant wie aktuell, war er schon lange nicht mehr.
- Als in Washington am 4. April 1949 zwölf Staaten den Nordatlantikvertrag unterzeichneten, der die NATO (North Atlantic Treaty Organization) gründete, fürchtete man die Expansion der damaligen Sowjetunion.
- Aus einem internationalen Verteidigungsbündnis wurde zunächst ein internationales Sicherheitsbündnis, das nach außen, aber auch nach innen, für Frieden sorgen sollte.
- Der russische Angriffskrieg in der Ukraine lässt die Rüstungsausgaben vieler Staaten wieder steigen, erneut fürchtet man eine Expansion, diesmal von Russland, im Fall, dass die Ukraine besiegt wird.