APA/APA / Sophie Nawratil/SOPHIE NAWRATIL

Trauerarbeit: Jaqueline Scheibers Roman "Dreimeterdreißig"

Eine Liebesgeschichte, die mit dem Tod beginnt. Das ist "Dreimeterdreißig", der Debütroman von Jaqueline Scheiber. Von einem Moment auf den anderen hört das Herz von Balázs zu schlagen auf. Seine Freundin Klara ist völlig durch den Wind. Die Momente, in denen sie realisiert, was da eben geschehen ist, dehnen sich ins Unendliche. Und eröffnen einen Raum für einen Rückblick auf die Beziehung zweier ungleicher Menschen, die einander so nahe gekommen waren wie niemandem zuvor.

Die österreichische Autorin, Jahrgang 1993 und einige Jahre als Influencerin unter dem Namen Minusgold sehr erfolgreich, hat selbst einen ganz ähnlichen Verlust erlitten. Das Buch, das seinen Titel aus der Höhe jener Wiener Altbauwohnung bezieht, in der die junge, selbstbewusste Architektin und der aus Ungarn stammende, zurückhaltende Theatertechniker und Bühnenarbeiter Balázs ein Zusammenleben versuchen, ist ohne Zweifel auch als Teil einer Trauerarbeit zu werten, die versucht, mit dem Unfassbaren umzugehen.

Scheiber hat dabei zwei Strategien: Einerseits sucht sie sprachlich nach Möglichkeiten, Gefühle auszudrücken, ohne das zu wiederholen, was bei ähnlichen Anlässen schon tausendfach gesagt und geschrieben wurde. Das gelingt ihr nicht immer unfallfrei, aber oft auch beachtlich. Andererseits taucht sie in die Vorgeschichte der beiden Hauptfiguren ein und schildert ihre Begegnung bei einer Premierenfeier, ihre Annäherung bei Spaziergängen durch Wien (wobei das Lektorat den einen oder anderen Schnitzer in der Stadtgeografie vermeiden hätte können), und die Versuche, ihre beiden Leben miteinander zu verschränken. Dabei gibt es psychologische, soziale und geografische Hürden zu überwinden.

Auch formal experimentiert Jaqueline Scheiber. Sie wechselt immer wieder Perspektiven und Zeitebenen und verwirrt mit Kapitelüberschriften, die entweder die vergehende Zeit symbolisieren oder ein Gedicht der deutschen Sängerin und Lyrikerin Lydia Daher zusammenfließen lassen. Und dann gibt es noch die schwangere beste Freundin, die ihr Kind verliert, und den "Sonnenesser", der Klara eine ganz andere Weltsicht beizubringen sucht. Das wirkt dann mitunter als etwas anstrengender Versuch, die plötzliche schmerzhafte Stille zu übertönen, eine "Art von Stille, die man überall anders vermutete, aber niemals im eigenen Leben".

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Jaqueline Scheiber: "Dreimeterdreißig", Leykam Verlag, 224 Seiten, 24,50 Euro)

Zusammenfassung
  • Jaqueline Scheibers Debütroman 'Dreimeterdreißig' beginnt mit dem plötzlichen Tod von Balázs und schildert die Trauerarbeit seiner Freundin Klara.
  • Die Autorin, Jahrgang 1993, war zuvor als Influencerin erfolgreich und verarbeitet in ihrem Buch eigene Verlusterfahrungen.
  • Der Roman experimentiert mit Perspektiven und Zeitebenen, während er die Beziehung zwischen Klara und Balázs sowie psychologische, soziale und geografische Hürden beleuchtet.