Starpodcaster Sator ruft das Ende des Hypes aus
APA: Herr Sator, Sie feiern am Dienstag die 300. Folge von "Erklär mir die Welt". Haben Sie sich das beim Start vor sechs Jahren vorstellen können?
Andreas Sator: Nein, sicher nicht. Ich denke selten so langfristig und habe in einem Wohnzimmer einer Studenten-WG angefangen. Ich hatte Pläne, den Podcast zu professionalisieren, aber dass er irgendwann mein Hauptjob ist, daran habe ich nie gedacht. Es ist eher einfach passiert.
APA: Zu Gast für die Jubiläumsausgabe ist Herbert Prohaska. Warum?
Sator: Es war mein Wunsch. Ich bin ein großer Prohaska-Fan. Seine Lebensgeschichte ist sehr interessant, und es ist faszinierend, wie bodenständig man trotz Geld und Ruhm bleiben kann. Darum geht es auch in der Episode.
APA: Wie entscheiden Sie, wer als Gast kommt? Ist zuerst Ihr Interesse an einer Thematik da oder die gewünschte Person?
Sator: Es gibt beides. Meistens ist es aber ein Thema oder eine Frage, die mich oder meine Hörerinnen und Hörer interessiert. Ich bekomme viele Vorschläge. Prinzipiell würde ich jedes der Gespräche auch führen wollen, wenn niemand anderer es hören würde. Das klingt pathetisch, aber ohne Neugier und ehrliches Interesse funktioniert es nicht. Man bekommt in einem Podcast mit, ob es die Person ernst meint.
APA: Ihr Interesse an manchen Themen ist offenbar sehr groß. Manche Podcasts dauern zwei Stunden. Springen da die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht irgendwann ab?
Sator: Das Tolle am Medium Podcast ist, dass die Leute ziemlich viel Geduld haben. Dennoch gibt es selten aber doch Podcasts, bei denen viele schon nach wenigen Minuten aufhören. Das hängt aber nicht von der Länge ab, sondern viel mehr von der Qualität. Wenn die Podcastfolge gut ist, hören die Leute sie am ganzen Arbeitsweg. Und wenn sie lang ist, auch am Weg zurück. (lacht)
APA: Wer sind Ihre Hörerinnen und Hörer? Haben Sie ein Gefühl dafür?
Sator: Nicht nur ein Gefühl. Ich habe vor kurzem meine zweite Umfrage gemacht. In Kombination mit Spotify-Daten und persönlichen Begegnungen weiß ich sehr gut, wer meinen Podcast hört. Das Publikum ist mehrheitlich zwischen 25 und 40 Jahre alt und auch sonst ähnlich zu mir: Neugierig, eher akademisch, eher urban, verantwortungsbewusst und politisch.
APA: Über Youtube versuchen Sie seit Ende des Vorjahres, ein neues Publikum zu erschließen, das von der Stammhörerschaft abweicht. Warum schauen sich Leute Podcasts an?
Sator: Ich habe es lange auch nicht verstanden und höre selbst zu 99 Prozent Podcasts ohne Video. Für bestimmte Formate - zum Beispiel Plauderpodcasts - macht es Sinn, wenn man die Menschen und wie sie reagieren sehen will. Mehrwert hat es auch, wenn man etwas herzeigen kann. Die Stärke von Youtube ist, dass dem Algorithmus egal ist, ob du bekannt bist und abonniert wirst. Wenn man den Nerv trifft, hat man schnell viele Aufrufe.
APA: Diese Chance kommt aber auch mit Nachteilen daher. Sie haben selbst schon einmal gesagt, dass man in der Podcast-Blase relativ behütet sei und großteils auf konstruktive Kritik stoße. Seitdem Sie auf Youtube sind, sind Sie auch mit Hass konfrontiert.
Sator: Der Kommentarbereich auf Youtube war für mich bis vor wenigen Jahren die Unterwelt des Internets. Es war kein schöner, ein sehr destruktiver Ort voller Hass und Mobbing. Mittlerweile sucht Künstliche Intelligenz konstruktive, positive Kommentare und zeigt sie ganz oben an. Weiter unten finden sich dann auch Hasskommentare mit vielen Likes. Als Journalist, der viel in sozialen Medien unterwegs ist, hat man eine dicke Haut aufgebaut. Ich bin so oft beschimpft und gehatet worden, dass es mir zwar nicht egal ist, aber es gehört fast zum Job dazu. In Summe ist das Youtube-Forum ein großer Mehrwert für mich.
APA: Stichwort Mehrwert: Seit 2022 gestalten Sie auch den Nachhaltigkeitspodcast "Sonne & Stahl - Weltretten ohne Illusionen". Haben Sie viele Hörerinnen und Hörer von "Erklär mit die Welt" dorthin mitnehmen können?
Sator: Ja. Gelitten hat der Podcast aber darunter, dass er in eine Zeit fiel, in der ich Depressionen hatte, mir die Arbeit dann manchmal zu viel war, und es ein halbes oder dreiviertel Jahr gedauert hat, bis neue Folgen gekommen sind. Bisher sind drei Staffeln erschienen, mit denen ich sehr glücklich bin. Ich bin aber in einem Findungsprozess.
APA: Sie haben viele Jahre beim "Standard" gearbeitet. Ist Ihnen der Abschied - auch angesichts des Risikos, dass Sie damit eingegangen sind - schwer gefallen?
Sator: Ja, auf jeden Fall. Ich habe den Podcast "Erklär mir die Welt" lange Zeit nebenbei gemacht. Irgendwann hat er so gut funktioniert, dass ich gewusst habe, er wird nicht innerhalb weniger Monate zusammenbrechen. Es ist noch immer ein mulmiges Gefühl da. Ich habe eine Mitarbeiterin, deren Gehalt ich zahle. Ich arbeite mit einer Videoproduktionsfirma. Das kostet viel Geld, aber es geht sich jetzt gut aus.
APA: Haben wir es eigentlich noch mit einem Podcast-Boom zu tun, und wenn ja, haben Sie Angst, dass dieser abflaut?
Sator: Es ist auf jeden Fall kein Hype mehr. Podcasts sind Mainstream. 34 Prozent der Menschen über 18 Jahren hören zumindest einen Podcast im Monat. Bei den Jüngeren ist es jeder zweite. Die Nutzung wächst weiterhin, wenn auch nicht explosionsartig - muss sie auch gar nicht. Im deutschsprachigen Raum hören Zigmillionen Leute Podcasts. Das ist ein großer Markt. Leute hören Inhalte, wenn sie möchten und nicht nach einem fixen Programm. Vielleicht wollen die Leute in fünf Jahren nicht mehr "Erklär mir die Welt" hören, aber dass sie grundsätzlich gerne Podcasts hören, daran wird sich meines Erachtens nichts ändern.
APA: Haben Sie für diesen Fall, dass die Leute genug von "Erklär mir die Welt" haben, einen Plan B parat?
Sator: "Erklär mir die Welt" ist wahnsinnig zeitlos. Die Welt ist total unübersichtlich. Es gibt viele komplizierte Themen und man möchte etwas dazulernen. Ich bin gespannt, was mit Künstlicher Intelligenz noch auf uns zukommt. Man kann jetzt schon viele Dinge einfach die KI fragen und sich erklären lassen. Was aber viele an "Erklär mir die Welt" mögen, ist, dass sie darauf mit seinen Qualitätsstandards und Experten vertrauen können. Der Podcast ist so konzipiert, dass ich ihn mein Leben lang machen könnte. Ich weiß nicht, ob ich es machen werde, aber es macht mir heute mindestens so viel Freude wie ganz am Anfang. Wahrscheinlich sogar mehr, weil ich heute nicht mehr so nervös bin.
(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)
(S E R V I C E - https://a-sator.at/)
Zusammenfassung
- Vor sechs Jahren hat Andreas Sator seinen Podcast "Erklär mir die Welt" in einem WG-Wohnzimmer als Nebenprojekt zu seiner Tätigkeit als Journalist gestartet. Mittlerweile kann er sehr gut davon leben, mit Expertinnen und Experten komplexe Themen wöchentlich einfach aufzubereiten. Im APA-Interview spricht der 33-Jährige über seine heute, Dienstag, veröffentlichte 300. Folge, die Geduld von Podcastfans und die "Unterwelt des Internets".