APA/APA/Kosmos Theater/Hanna Fasching

Ostertag zeigt Lassnig: "Alte Meisterin" im Kosmos Theater

"Die Künstlerin schafft Kunst, aber wer erschafft das Bild der Künstlerin?" Unter dieser Prämisse widmet sich Sara Ostertag im Kosmos Theater mit ihrem Kollektiv makemake produktionen der Frage nach der Kanonbildung in der bildenden Kunst. Im Zentrum von "Alte Meisterin", das am Mittwoch zur akklamierten Uraufführung kam, steht Maria Lassnig als Prototyp der verkannten jungen Künstlerin in einer von Männern dominierten Welt, die mit ihrer verspäteten Anerkennung hadert.

Es ist ein sich stetig entwickelndes, auf mehreren sinnlichen Ebenen erfahrbares Gesamtkunstwerk, das Ostertag hier gemeinsam mit der aus Ungarn stammenden Künstlerin Eva Beresin, der Musikerin Clara Luzia, der Fotokünstlerin Apollonia T. Bitzan sowie den Schauspielerinnen Veronika Glatzner und Clara Liepsch geschaffen hat. Basierend auf Aufzeichnungen und Interviews mit der vor zehn Jahren im Alter von 94 verstorbenen Künstlerin haben Ostertag und Anita Buchart einen Text geschrieben, der Lassnigs innere Konflikte als bis ins fortgeschrittene Alter marginalisierte Künstlerin hörbar macht. Schauplatz ist Lassnigs Atelier (Bühne: Nanna Neudeck), in der rund ein Dutzend großformatige Gemälde stehen, die Motive berühmter Lassnig-Bilder wie "Du oder ich" zitieren und im Laufe des Abends von Beresin, der in der Albertina jüngst eine Ausstellung gewidmet war, live übermalt werden.

Dabei macht Beresin mit ihrer farbintensiven, grotesk anmutenden und das Unterbewusstsein herausstülpenden Bildsprache auch vor den Akteurinnen nicht Halt, deren Gesichter und Körper sie gleich zu Beginn bemalt. Und so werden im Laufe der Aufführungsserie bis zum 30. Oktober sämtliche "Lassnig-Werke" zu Beresin-Werken, wobei sich auch in den Arbeiten der Ungarin Lassnigs "Body-Awareness" erahnen lässt, sich Gesichter verdoppeln und Körperhaltungen verrutschen. Mehr als begleitend sind dabei die Songs von Clara Luzia, die - mal auf Deutsch, mal auf Englisch - Lassnigs Gedankengänge hörbar machen und sich im Laufe des 90-minütigen Abends instrumental von der Akustik-Gitarre hin zu von Beats begleiteten verzerrten E-Gitarren-Sounds steigern.

Als gäbe es an Ebenen noch nicht genug, schießt Bitzan ihre Bilder, die sich dann als Polaroids auf Beresins Kleid wiederfinden. Immer wieder werden auch Schnipsel aus der Lassnig-Doku "Es ist die Kunst, jaja ..." (2015) projiziert, die nicht nur Lassnigs Stimme hörbar machen, sondern ihre bissigen Kommentare zur allzu späten Anerkennung ihres Werks beinhalten. Als Running Gag führt Lassnig, die abwechselnd von Bitzan, Glatzner und Liepsch im wahrsten Sinne des Wortes verkörpert wird (Choreografie: Martina Rösler), Selbstgespräche mit dem Anrufbeantworter des Kurators Hans Ulrich Obrist, der sie über 30 Jahre lang begleitete.

Und so schichten sich die Ebenen nicht nur Strich für Strich auf die übermalten Bilder, sondern auch in die Köpfe der Theaterbesucherinnen und -besucher, die am Ende des dichten, seine Theorielastigkeit gekonnt überspielenden Abends lang anhaltenden Applaus spendeten. Sara Ostertag, die in der kommenden Saison die Leitung des TAG - Theater an der Gumpendorfer Straße übernimmt, ist nach ihrem das Übersinnliche erkundenden Tarot-Abend "Run Wild In It" vom vergangenen Juni im Kosmos Theater erneut ein erstaunlicher Theaterabend gelungen, der das Publikum mit der Frage entlässt: Werden Künstlerinnen mittlerweile rechtzeitig gewürdigt?

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Alte Meisterin" im Kosmos Theater in Koproduktion mit makemake produktionen. Regie: Sara Ostertag, Text: Sara Ostertag und Anita Buchart, Komposition und Live-Musik: Clara Luzia, Bühne: Nanna Neudeck, Kostüm: Mave Venturin, Choreografie: Martina Rösler. Mit Eva Beresin, Apollonia T. Bitzan, Veronika Glatzner und Clara Liepsch. Weitere Termine: 18., 19., 23., 24., 25., 29. und 30. Oktober. www.kosmostheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Sara Ostertag inszeniert im Kosmos Theater das Stück 'Alte Meisterin', das sich mit der Rolle der Künstlerin Maria Lassnig in einer männerdominierten Kunstwelt auseinandersetzt.
  • Das multimediale Gesamtkunstwerk umfasst Live-Malerei von Eva Beresin und Musik von Clara Luzia, die Lassnigs innere Konflikte thematisiert.
  • Die Aufführung, die bis zum 30. Oktober läuft, integriert Projektionen aus der Lassnig-Dokumentation 'Es ist die Kunst, jaja ...' und erhielt bei der Uraufführung großen Applaus.