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"Mein Jahr der Ruhe" in Graz: Schlaftrunkenes Problemwälzen

Mit einer szenischen Bearbeitung des Erfolgsromans "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" von Ottessa Moshfegh ist das Grazer Schauspielhaus am Freitagabend in die neue Saison gestartet. Die Collage aus Therapiesitzungen, Erinnerungssequenzen und Traumfantasien wirkte sperrig und ließ stellenweise die Spannung vermissen. Die Darsteller und Darstellerinnen kämpften sich mit viel Engagement durch das Gestrüpp aus Sätzen, Musik und nicht immer sinnvollen Aktionen.

Im Buch beschließt eine junge Frau, ein Jahr lang zu schlafen, um dann in einer besseren oder zumindest überschaubaren Welt wieder aufzuwachen. Sie will sich dem Leistungsprinzip, dem Schönheitsdiktat und den Weltproblemen entziehen und nicht zuletzt den Tod der Eltern verarbeiten. Um den Stoff auf die Bühne (Textfassung: Malgorzata Czerwien) zu bringen, hat Regisseurin Ewelina Marciniak den Versuch unternommen, die Hauptfigur in Kontakt mit unterschiedlichen Personen treten zu lassen und sie so für das Publikum irgendwie greifbar zu machen.

Das funktioniert allerdings nur teilweise, denn zunächst sieht man die Frau zwischen Tierpräparatoren und einer kollektiv in Papiersäcke kotzenden Gruppe und erfährt erst nach 50 Minuten, dass sie gedenkt, einen längeren Schlaf zu halten. Dadurch werden im Nachhinein einige Szenen logisch, doch vieles wirkt eher zufällig, wenn auch sorgfältig choreografiert (Mikolaj Karczewski). Angerissen werden viele Themen, es geht um den pervertierten Kunstmarkt, um Frauen, die in patriarchalischen Strukturen zu Sexobjekten oder kleinen Mädchen gemacht werden, um die Ohnmacht, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Die Grenzen zwischen der Realität, der Vergangenheit und der Traumwelt verwischen immer mehr, nicht zuletzt aufgrund der Psychopharmaka und Schlaftabletten, die der Frau das Wegtauchen aus der Welt erleichtern sollen.

Das alles wird von Luiza Monteiro in der Rolle der jungen Frau gerade in ihrer leisen, schlichten Art berührend dargelegt. In den Szenen mit der Mutter (hervorragend: Olivia Grigolli) kommt so etwas wie Vergangenheitsbewältigung zum Vorschein, doch vieles wird dann wieder durch allzu platte Auflösungen relativiert. Die Begräbnisszene hat viel Dichte, während die Therapiemomente teilweise redundant sind. Gelungen ist auch die Auflösung am Ende, wenn die Figur der Frau in mehrere Spielende im gleichen Kostüm aufgesplittet wird und ihre Zerrissenheit - oder die der anderen Figuren? - deutlich wird.

Als in ihrer Angepasstheit hilflose Freundin überzeugt Anna Klimovitskaya. Anke Stedingk zeichnet eine Therapeutin, die immer wieder von Zweifeln geplagt wird, Marielle Layher und Mario Lopatta persiflieren als Galeristin und Künstler die Kunstszene. Gewürdigt werden muss auch die überragende körperliche Leistung von Dominik Puhl als Hund und als Tänzerin. Das Publikum wirkte am Ende etwas ratlos und auch ein wenig erschöpft, weil der Abend mit seinen dichten Szenen und Ungereimtheiten die Aufmerksamkeit permanent forderte.

(Von Karin Zehetleitner/APA)

(S E R V I C E - "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" von Ottessa Moshfegh im Schauspielhaus Graz. Regie: Ewelina Marciniak, Bühne und Kostüme: Natalia Mleczak, Musik: Jan Duszyński. Mit Luiza Monteiro - Sie, Anna Klimovitskaya - Reva/Freundin, Olivia Grigolli - Mutter, Anke Stedingk - Therapeutin, Marielle Layher - Natascha/Galeristin, Mario Lopatta - Ping Xi/Künstler/Vater, Dominik Puhl - Hund/Typ1, Thomas Kramer - Anwalt/Typ2). https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com/)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Grazer Schauspielhaus startete die neue Saison mit einer szenischen Bearbeitung des Romans 'Mein Jahr der Ruhe und Entspannung' von Ottessa Moshfegh. Die Inszenierung wirkte stellenweise sperrig und spannungsarm.
  • Das Publikum wirkte am Ende ratlos und erschöpft durch die dichten Szenen und Ungereimtheiten. Die Themen reichen von patriarchalischen Strukturen bis zur Ohnmacht, eigene Bedürfnisse zu erkennen.