APA/APA/Weltmuseum Wien

Koran-Schau im Weltmuseum: Der Wandel von Europas Blick

Der Koran wird im westlichen Diskurs der vergangenen Jahre primär als Problemtext gelesen und mit inhärenter Gewalt assoziiert. Dass es in Europa einst auch gänzlich andere Lesarten dieser heiligen Schrift gab, verdeutlicht das Wiener Weltmuseum mit seiner neuen Ausstellung "Der europäische Koran", die ab Mittwoch zu einem für die heutige Gesellschaft neuen Blick lädt. So grüßt bereits der alte Goethe mit einem Koran in der Hand vom Katalogcover zur Schau.

Zu sehr sollten sich Besucher vom popartigen Bild des Künstlers Marwan Shahin als Werbesujet jedoch nicht über den Charakter der Ausstellung täuschen lassen. "Der europäische Koran" fokussiert sehr zentral auf sein Subjekt, und dies ist nun einmal ein geschriebener Text. Zahllose Faksimiles nähern sich dem Thema, Expertinnen und Experten erläutern an Medienstationen die Genese der Rezeption des Korans über die Jahrhunderte hinweg. Schließlich hat man als Kooperationspartner mit dem Forschungsverbund "The European Qur'an. Islamic Scripture in European Culture and Religion 1150-1850" (EuQu) einen wissenschaftlichen Partner für das Projekt gewonnen, der seit 2019 dem Einfluss des Korans auf die Kultur in Europa der Vormoderne nachspürt.

So stand im frühen Mittelalter noch das Ansinnen westlicher Theologen im Fokus, mithilfe des Korans Arabisch zu lernen, um sich so der ebenfalls semitisch geschriebenen Bibel annähern zu können. Entsprechend entscheidend sei der Themenkomplex der Übersetzungen, die durch vielfache Rück- und Querübertragungen teils eine ganz neue Textform im Vergleich zum arabischen Originaltext ergaben, wie Jan Loop von der Universität Kopenhagen, Teil des EuQu, bei der Präsentation am Dienstag unterstrich.

In der Romantik wurde dann der Schwerpunkt eher auf die dichterischen Qualitäten der Suren gelegt. Die Aufklärer hingegen begriffen den Koran in seinen weltlichen Qualitäten als Beispiel einer rationalen Religion. "Und der Koran ist auch ein ästhetisches Erlebnis", verwies Kurator Tobias Mörike auf die Kunst der Kalligraphie. Zuletzt wirft man in der Schau noch einen kurzen Blick über 1850 hinaus und geht der Frage nach, wie Musliminnen und Muslime den Koran heute lesen und nutzen.

"Der Koran ist nicht nur ein Buch. In der Welt des Islam ist es auch ein Gesamtkunstwerk", machte Weltmuseumsdirektor Jonathan Fine deutlich. Entsprechend stelle die neue Schau auch ein Beispiel für den Wunsch seines Hauses dar, über die eigenen Mauern hinaus auszugreifen und sich aktuellen Themen zu widmen, was durchaus eine Herausforderung darstelle. "Wir sind beispielsweise einfach nicht gewohnt, außerhalb des Deutschen oder Englischen zu arbeiten. Das müssen wir ändern", so Fine. So sind etwa die Begleittexte zur Ausstellung neben Deutsch und Englisch nun auch in Arabisch gehalten.

(S E R V I C E - "Der europäische Koran" von 18. September bis 24. August 2025 im Weltmuseum Wien, Neue Hofburg, Heldenplatz, 1010 Wien. www.weltmuseumwien.at/ausstellungen/der-europaeische-koran)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Wiener Weltmuseum zeigt ab Mittwoch die Ausstellung 'Der europäische Koran', die historische Lesarten des Korans in Europa beleuchtet.
  • Die Ausstellung wird vom Forschungsverbund EuQu unterstützt und läuft vom 18. September bis 24. August 2025.
  • Begleittexte zur Ausstellung sind in Deutsch, Englisch und Arabisch verfügbar.