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Daniel Glattauer hat sich "ein Wohlfühlbuch geschrieben"

Am Freitag stellt Daniel Glattauer im Wiener Rabenhof Theater seinen neuen Roman "In einem Zug" vor. Hauptfigur ist der Bestsellerautor Eduard Brünhofer, der mit Liebesromanen ein Millionenpublikum erreicht hat. "Ich bin ziemlich artverwandt mit meinem Protagonisten", gibt Glattauer im APA-Interview zu. "Das ist jetzt, glaub ich, mein drittes Buch mit einem Ich-Erzähler, und zum ersten Mal kann man es als wirklich ziemlich autobiografisch betrachten."

Bei seinem bisher letzten Roman, "Die spürst du nicht" (2023), habe er "das Bedürfnis gehabt, ein brennendes Thema wie Migration von einem anderen Gesichtspunkt aus darzustellen", diesmal habe er sich der "Lust und Freude am Schreiben" hingeben wollen, sagt der 64-Jährige. "Bücher, die ich schreibe, erlaube ich mir, oder ich gönne sie mir. 'Die spürst du nicht' hatte ich mir erlaubt. 'In einem Zug' hab ich mir gegönnt. Ich hab mir selbst ein Wohlfühlbuch geschrieben. Dieses Buch war sehr egoistisch."

Begonnen habe er mit wenig Ideen, aber einer klaren Vorstellung vom Schauplatz, schildert der Autor "Ich hab mir ein knappes Setting gegeben, nämlich: Ich setze eine Person in einen Zug, und dann passiert etwas. Und das wird sicher wieder mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun haben. Beziehungs- und Liebesprobleme sind ja auch Probleme, und zwar keine, die man unterschätzen sollte." Seine Hauptfigur wird von einer Mitreisenden aufgrund seiner Romane für einen Experten in Lebens- und Liebesfragen gehalten. Das könnte auch auf Glattauer zutreffen, doch er habe beim Schreiben auch von seiner Ausbildung zum psychosozialen Berater profitiert und Sachbücher über Beziehungen gelesen, erzählt der Autor, der "In einem Zug" seiner Frau Lisi gewidmet hat.

Dass Brünhofer wie er glücklich verheiratet sei, sei kein Zufall. "Ich dachte, wenn ich so ähnlich ticke wie er, dann tue ich mir leichter beim Beschreiben von Situationen. Warum ist man in einer Zweierbeziehung? Diese Frage kann man sich ja alle paar Jahre neu stellen - und altersbedingt zu unterschiedlichen Antworten kommen. Wenn die erste große Verliebtheit vorbei ist, muss man sich neu orientieren. Je älter ich werde, desto dringlicher wird mir bewusst, dass ich nicht auf der Welt bin, um allein zu sein. Aber auch bei seinem Zugang zum Schreiben und zum Beruf des Schriftstellers habe ich mir viel von der Seele schreiben können. Er betrachtet dieses ganze Verlags- und sonstige Wesen schon so wie ich und ist ein Mensch, der manchmal auch nur seine Ruhe möchte."

Die hat man als Autor aber nicht immer, jedenfalls nicht dann, wenn man sie haben will. Bei einer Zugfahrt etwa. "Meistens schau ich zum Fenster raus und hör Musik. Ich bin einer, der im Grunde nicht ins Gespräch kommen will und auch entsprechend schaut. Hin und wieder werde ich aber erkannt. Und hin und wieder ergibt sich ein Gespräch. Bei langen Strecken kann man jemanden schon so gut kennenlernen, dass man Lust bekommt, ihn wiederzusehen. Es kommt dann aber eh nie dazu."

Als Autor wartet am Ende einer Bahnfahrt häufig eine Lesung. Und nach der Lesung ein paar Fragen aus dem Publikum. Auch so eine Erfahrung, die Glattauer mit Brünhofer (oder umgekehrt) teilt. "Da gibt es etwa die 'Grausamen Fünf'. Diese Fragen sind deshalb so grausam, weil man sie praktisch immer gestellt bekommt - und weil ich keine stereotypen Antworten geben will, muss ich mir für die Antworten immer etwas Neues einfallen lassen. Auf die Frage, was meine Lieblingsbücher oder Lieblingsautoren sind, habe ich bisher noch immer etwas anderes geantwortet."

Bis 2009 hat Daniel Glattauer als Journalist beim "Standard" gearbeitet, "da hab ich hauptsächlich Gerichtsreportagen geschrieben und 'Einserkastln'. Dieses Buch hat sich für mich so geschrieben, als wäre es ein ganz langes 'dag'-Kastl: Es fällt unter Alltagsprobleme, und alle kennen es und haben es schon einmal erlebt."

Heute ist er immer wieder schockiert, wie viel Frust und Hass sich im "Standard"-Leserforum manifestiert. "Im Netz werden Feinde gesucht - und sie werden gefunden. Und wenn einer gefunden wurde, stürzen sich viele auf ihn. Auch das ist Gemeinschaft." Verfolge er die Nachrichten, denke er sich oft: Was ist das für eine Welt geworden? "Ich glaube, dass wir eine abstürzende Phase erleben, nachdem in den 70er, 80er und zum Teil noch in den 90er-Jahren bei uns so vieles in die richtige Richtung gegangen ist. Davon kann nicht mehr die Rede sein."

Seine Popularität hat Glattauer nie für öffentliche politische Statements genutzt. "Dinge, die mir gesellschaftspolitisches Anliegen sind, sind für mich privat." In Migrations- oder Sozialfragen engagiere er sich im Privaten sehr, doch in der ersten Reihe zu stehen, sei seine Sache nicht. "Ich bin kein Kämpfertyp. Ich wollte schon in der Schule nie raufen. Es ist unglaublich, dass man mit so wenig Ellbogen wie ich doch so gut durchs Leben kommt! Es ist fast ein Wunder, wie sehr das geglückt ist."

Als Autor hat sich Daniel Glattauer für sein neues Buch aber auf die Beine gestellt - und mit einer Agentur im Bieterverfahren einen neuen Verlag gesucht. Der Wechsel vom österreichischen Zsolnay Verlag zum deutschen DuMont Buchverlag habe sich bereits ausgezahlt, erzählt der Wiener. Die Anfangsauflage von "In einem Zug" liege bei 100.000 bis 200.000 Exemplaren, und die Medienarbeit in Deutschland lasse sich bereits jetzt sehr gut an. "Sie machen sehr viel Werbung für das Buch - etwa in den Bahnhofskiosken. Das liegt ja nahe ..."

Für die Medien hat sich der Verlag etwas Besonderes einfallen lassen und den Rezensionsexemplaren ein eigenes Spiel beigelegt: 60 Karten mit "Fragen für mehr Miteinander", um spielerisch miteinander ins Gespräch zu kommen. Was liegt näher, als den Autor zum Abschluss eine Karte ziehen zu lassen? Glattauer lacht, spielt mit und zieht "Beeinflusst es Ihre Kaufentscheidung, wenn ein Spiegel-Bestseller-Aufkleber auf dem Buchcover klebt?" - "Eine gute Frage! Nein, meine Kaufentscheidung beeinflusst es absolut nicht, und ich hab auch angefragt, ob man das bei mir bitte bleiben lassen kann. Aber die lieben Leute von meinem neuen Verlag haben gesagt: Bitte, wir brauchen den Aufkleber! Die Menschen sind ganz narrisch auf solche Sachen."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Daniel Glattauer: "In einem Zug", DuMont Buchverlag, 208 Seiten, 23,70 Euro, Buchpremiere am 10.1., 20 Uhr, im Gemeindebau-Literatursalon im Rabenhof Theater, Wien 3, Rabengasse 3)

ribbon Zusammenfassung
  • Daniel Glattauer präsentiert seinen neuen Roman 'In einem Zug' am 10. Januar im Wiener Rabenhof Theater.
  • Das Buch hat eine Anfangsauflage von 100.000 bis 200.000 Exemplaren und wird vom DuMont Buchverlag vertrieben.
  • Die Geschichte spielt in einem Zug und behandelt zwischenmenschliche Beziehungen, basierend auf Glattauers Erfahrungen als psychosozialer Berater.
  • Glattauer beschreibt das Buch als 'Wohlfühlbuch', das er sich selbst gegönnt hat, und widmet es seiner Frau Lisi.
  • Rezensionsexemplare enthalten ein Spiel mit 'Fragen für mehr Miteinander', um den Austausch zu fördern.