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"Carmen" in St. Margarethen musste dem Gewitter weichen

Am Mittwochabend geschah beim Auftakt der Oper im Steinbruch von St. Margarethen das schier Unglaubliche: "Carmen" überlebte. Der Grund, weshalb die Titelheldin am Ende nicht wie sonst üblich in Georges Bizets Oper von ihrem enttäuschten Liebhaber Don José erstochen wird, war jedoch kein Regieeinfall, sondern entsprang einer Laune des Wettergottes.

Angesichts einer massiven Gewitterzelle sah sich Intendant Daniel Serafin letztlich gezwungen, den Premierenabend abzubrechen. Just zur Pause nach dem 2. Akt versank der Römersteinbruch in wahren Sturzfluten, die für ein Ende des Opernabends sorgten.

Don José und Carmen sind zu diesem Zeitpunkt noch halbwegs glücklich, er wird mit ihr gehen. Ende gut, alles gut. Dabei hatte der Abend wettertechnisch noch ganz anders begonnen, denn nur selten macht eine Inszenierung die schwül-heiße Atmosphäre der Straßen von Sevilla so körperlich nachvollziehbar wie ein aufgeheiztes Steinbruchrund.

Hier sind sechs gigantische Drehbühnen die Bühnendominante, die mit ihren bespielbaren Rückseiten einen Blick hinter fiktive Kulissen erlauben. Schließlich positioniert der französische Regisseur Arnaud Bernard die "Carmen" im Burgenland des Jahres 2023 auf einem Hollywood-Filmset in den 1950ern, wo ein Werk über den spanischen Bürgerkrieg der 1930er gedreht wird, untermalt mit der aus 1875 stammenden Musik.

"Keine Intellektualität!"

Dieser Mashup der Zeiten funktioniert in sich erstaunlich gut, hatte der 56-jährige Bernard doch schon bei der Vorstellung seines Konzepts als Maxime verkündet: "Keine Intellektualität!" Er persönlich hasse es, wenn die Zuschauer zuerst das Programmheft lesen müssten, um das Geschehen auf der Bühne zu verstehen. Doch die Inszenierung setzt zugleich auf zu viel des Guten.

Es mag durchaus ein wenig von der Ouvertüre ablenken, wenn ein brennender Mann auf einem Fahrrad die Bühne überquert oder regelmäßig Parallelaktionen zu den einzelnen Szenen inszeniert sind. Vor jeder Arie ruft der fiktive Bühnenregisseur "Action", am Ende steht das obligatorische "Cut".

Melodienschleuder "Carmen"

Die Margarethener "Carmen" ist gleichsam ein Stationentheater für die Augen, die beständig wandern müssen und zwangsläufig das eine oder andere verpassen. So wird die Melodienschleuder "Carmen" mit ihren populären Nummern wie Habanera, der Blumen- oder der Toreroarie zum Feuerwerk an Aktionen, die dem Kern des Werks gegenüber aber fast ein wenig despektierlich agieren.

Dirigent Valerio Galli nutzt die Vorteile, die eine elektronische Übertragung bietet und gibt einzelnen Instrumenten ungewohnt strahlende Soli. Wie sich die Sänger rund um Joyce El-Khoury, die für die ursprünglich verpflichtete Starsopranistin Kristīne Opolais als Carmen einsprang, schlagen, werden die nächsten Wochen zeigen.

Bis 20. August haben Opernfreunde jedenfalls die Chance, sich auch das Ende der Bizet-Oper im Steinbruch anzusehen - sollte der Wettergott mitspielen.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Mittwochabend geschah beim Auftakt der Oper im Steinbruch von St. Margarethen das schier Unglaubliche: "Carmen" überlebte.
  • Der Grund, weshalb die Titelheldin am Ende nicht wie sonst üblich in Georges Bizets Oper von ihrem enttäuschten Liebhaber Don José erstochen wird, war jedoch kein Regieeinfall, sondern entsprang einer Laune des Wettergottes.
  • Vor jeder Arie ruft der fiktive Bühnenregisseur "Action", am Ende steht das obligatorische "Cut".