Buch zu Landeshymnen: "Stecken tief im Nationalismus fest"
Gemeinsam mit den Autoren Christoph Janacs und Ludwig Laher widmet sich Ruiss auf 150 Seiten der Herkunft und Entstehungsgeschichte der acht Landeshymnen zwischen Vorarlberg und dem Burgenland, während Wien aus der historischen Verbindung als Teil von Niederösterreich über keine Hymne verfügt. Fazit: "Die Landeshymnen stecken tief im Nationalismus fest und weisen keine Aspekte demokratischer Natur auf", so Ruiss. Michaela Schachner, Geschäftsführerin des Anton Pustet Verlags, sieht in der aktuell vermehrt zu Tage tretenden und durch das jüngste Ergebnis der Nationalratswahl bestätigten "verheerenden Geschichtsvergessenheit die Notwendigkeit, sich mit der Herkunft unserer Symbole zu beschäftigen". Die "akribische Recherche" des Herausgebertrios habe "Absurdes und Wahnwitziges zu Tage gefördert, das sture Festhalten am Gestrigen" gebe tiefe Einblicke in die österreichische Verfasstheit. Tenor aller Beteiligten: "Wir müssen im Hier und Heute Verantwortung übernehmen."
Ein Beispiel für die historische Belastung ist etwa Salzburgs Hymne: So habe sich Komponist Ernst Sompeks nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich gebrüstet, illegales österreichisches NS-Parteimitglied gewesen zu sein, Textautor Anton Pichler wiederum war ein kriegsverherrlichender Priester. In Oberösterreich steht der Verfasser des Textes, Franz Stelzhamer, als "radikaler Antisemit", der sogar den Genozid an den Juden befürwortet habe, im Fokus. In Niederösterreich geht es um den Verfasser Franz Karl Ginzkey, der als Befürworter der Bücherverbrennungen gilt. In dem Buch ist der Geschichte jeder einzelnen Hymne eine ausführliche historische Analyse gewidmet - inklusive der bisher gescheiterten Versuche, auf politischer Ebene der Gegenwart Änderungen herbeizuführen.
Die gänzliche Abschaffung von Landeshymnen lehnte das Podium auf APA-Nachfrage ab, schließlich sei der Wunsch nach Zugehörigkeit legitim, "aber ohne dabei jemanden auszugrenzen", so Schachner. Zudem sei eine Abschaffung gerade im herrschenden Föderalismus sehr unwahrscheinlich. Besonders befremdlich findet Laher, dass die politisch Verantwortlichen in der Vergangenheit gegen jegliche Versuche, an den Texten der Hymnen etwas zu verändern, "gemauert" hätten. "Die belasteten Hymnen werden mit Zähnen und Klauen verteidigt", so der Autor. Dass Hymnen durchaus auch verändert werden können, habe nicht zuletzt die Neufassung der Bundeshymne im Jahr 2012 gezeigt, auch wenn diese von den drei Autoren als nicht besonders geglückt bezeichnet wird. Dennoch: "Hymnen dürfen durchaus ein Ablaufdatum haben. Das Beharren auf dem Status quo gleicht einem Denkverbot."
In zahlreichen Hymnen stecke nicht nur "Untertanenmentalität, sondern es wird einfach auch Geschichte gefälscht", so Ruiss, der auch die "überwiegend inferiore literarische Qualität der Texte" bemängelt. Wichtig sei es nun, das Thema breit zu diskutieren und Bewusstsein zu schaffen. Ob nun Strophen gestrichen würden oder Hymnen gleich völlig neu getextet, sei im Einzelfall zu diskutieren. Hymnen könnten "zur Gemeinschaftlichkeit anregen, ohne in Chauvinismus zu verfallen", so Laher. Janacs schlägt etwa vor, in den Volksschulen die historischen Hintergründe der jeweiligen Hymnen zu erarbeiten und Kindern die Möglichkeit zu geben, Alternativvorschläge zu texten.
Als besonders gelungenes, aber schlussendlich nicht umgesetztes Beispiel nannte er eine Version von Christian Kolonovits anlässlich der 100-Jahr-Feier des Burgenlands, in der auch die Minderheitensprachen mit eingeflossen waren. "Man könnte jetzt ein großes Nachdenken starten, ob wir in Kleingeisterei verharren oder über den Tellerrand schauen wollen", so Ruiss. Nachsatz: "Diese Diskussion darf man sich nicht ersparen!"
(S E R V I C E - Christoph Janacs, Ludwig Laher und Gerhard Ruiss: "O du mein Österreich. (K)eine Lobeshymne", Anton Pustet Verlag, 152 Seiten, 20 Euro.)
Zusammenfassung
- Die IG Autorinnen Autoren kritisieren die Landeshymnen Österreichs in ihrem Buch 'O du mein Österreich. (K)eine Lobeshymne' wegen nationalistischen Inhalten und historischer Belastungen.
- Historische Analysen zeigen, dass einige Hymnenautoren problematische politische Ansichten hatten, darunter Antisemitismus und Unterstützung der NSDAP.
- Eine Abschaffung der Hymnen wird abgelehnt, jedoch wird eine Diskussion über mögliche Änderungen angeregt, inspiriert durch die Neufassung der Bundeshymne 2012.