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Quantenverschränkung hält auch Schwerelosigkeit stand

Bei Parabelflügen werden mit einem Flugzeug kurze Phasen von Fast-Schwerelosigkeit (Mikroschwerkraft) in Erdnähe erzeugt. Erreicht wird das durch ein Auf und Ab, das bei vielen Passagieren akute Übelkeit auslöst - weshalb Flugzeuge im Parabelflug-Einsatz auch "Kotzbomber" genannt werden. Wiener Physiker haben nun untersucht, wie dies dem quantenphysikalischen Phänomen der Verschränkung bekommt. Entgegen vieler Menschen zeigte es sich davon unbeeindruckt.

Die Verschränkung fasziniert und verwundert seit vielen Jahrzehnten gleichermaßen, besagt sie doch, dass zwei oder mehrere Systeme - meist sind das Lichtteilchen (Photonen) oder einzelne Atome - quantenphysikalisch derart verbunden sein können, dass sie Eigenschaften über theoretisch jede Distanz teilen können, und etwa eine Messung des Zustandes an einem Teilchen ohne Zeitverzug auch den Zustand des beliebig weit entfernten verschränkten Partnerteilchens festlegt. Damit hatten auch namhafte Physiker wie Albert Einstein - der den Begriff "spukhafte Fernwirkung" prägte - mitunter ihre liebe Not. In der Vergangenheit fühlten Forscher, wie auch der für seine Experimente mit verschränkten Photonen 2022 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnete Anton Zeilinger, eine Vielzahl immer ausgeklügelter Experimente durch, um andere Ursachen für das Phänomen als die simple bizarre Natur der Gesetze der Quantenmechanik auszuschließen.

Alle anderen Erklärungsmuster für das Phänomen, die in der klassischen Physik fußen, zerschlugen sich nach und nach. Trotzdem sind Physiker immer wieder auf der Suche nach Gegebenheiten, die klassisch beschreibbare Auswirkungen auf quantenphysikalische Phänomene haben könnten. "Wir haben heute noch keine Vereinheitlichung zwischen der Quantenphysik und der Allgemeinen Relativitätstheorie, die unsere beste Beschreibung der Gravitation darstellt", so Julius Bittermann, der am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien forscht.

Um den Einfluss von Beschleunigungskräften auf die spezielle Verbindung verschränkter Photonen zu untersuchen, packte ein Forschungsteam um Bittermann und u.a. den Gründer des Wiener Unternehmens Quantum Technology Laboratories (qlabs), Rupert Ursin, ein Experiment kurzerhand in ein Flugzeug. So gingen die Gerätschaften zum Erzeugen und Auslesen des außerhalb von Laborumgebungen höchst fragilen Zustandes der Quantenverschränkung durch einen Härtetest im Rahmen der 77. Parabelflugkampagne der Europäischen Weltraumorganisation ESA im französischen Bordeaux im Oktober 2021 an Bord einer modifizierten Airbus A310-Maschine, wie es in der im Fachblatt "Quantum" erschienenen Arbeit heißt.

Während eines Fluges wurden 31 Parabel-Manöver durchgeführt, in deren Verlauf einmal die bis zu 1,8-fache Erdbeschleunigung und einmal Schwerelosigkeit herrschten. Über alle drei Flüge hinweg kam man so auf insgesamt rund zehn Minuten Quasi-Schwerelosigkeit. "So ein Parabelflug ist nicht ohne", erklärte Bittermann, der bei den Flügen an Bord war, im Gespräch mit der APA. Mit Medikamenten kann man der Übelkeit aber entgegenwirken.

Die Wissenschafter nahmen die Strapazen auf sich, um einerseits zu zeigen, dass es mit moderner Technik mittlerweile möglich ist, unter solchen Bedingungen die fragile Verschränkung aufrecht zu erhalten, und andererseits zu überprüfen, ob die besondere Verbindung durch die extremen Manöver auch nicht verändert wird. Wie erwartet, erwies sich das Ausmaß an Verschränkung zwischen den Photonen auch während den sich ständig ändernden Beschleunigungskräften als robust.

Damit habe man auch gezeigt, "dass diese Technologie, diese Quantensysteme, die gerade den Sprung von der Forschung in die Anwendung machen, auch unter Bedingungen verwendet werden können, die nicht diesen perfekten Laborbedingungen entsprechen", sagte Bittermann. Die von dem Team möglichst einfach gehaltene Konfiguration, die auf handelsüblichen Lasern und Detektoren beruht, kann also verschränkte Photonenpaare herstellen, die Vibrationen und eben extremen Beschleunigungskräften standhalten. Beides ist nochmals prominenter, wenn es daran geht, Quantentechnologie auf Satelliten ins All zu bringen.

Danach trachtet man vor allem, da sich die Verschränkung dafür eignet, Systeme zur abhörsicheren Quantenverschlüsselung und -kommunikation zu entwickeln. Die in dem Bereich spezialisierten qtlabs haben hier in aktuellen Ausschreibungen im Rahmen des EU-Forschungsförderungsprogrammes "Horizon Europe" kürzlich zwei Projekte namens "QuTechSpace" und "LaiQa" an Land gezogen, wie das Unternehmen mitteilte. In deren Rahmen will man Photonenquellen herstellen, "die im Weltraum angewendet werden können". Dazu arbeitet man auch an der notwendigen Soft- und Hardware für die Nachverarbeitung der übertragenen Quantenschlüssel.

(S E R V I C E - Die Publikation online: https://doi.org/10.22331/q-2024-02-15-1256; Website von qtlabs: https://www.qtlabs.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Wiener Physiker haben die Stabilität von Quantenverschränkung unter Fast-Schwerelosigkeit auf Parabelflügen erfolgreich getestet.
  • Trotz der Herausforderungen durch bis zu 1,8-fache Erdbeschleunigung und rund zehn Minuten Schwerelosigkeit blieb die Verschränkung zwischen Photonen robust.
  • Die Ergebnisse, veröffentlicht im Fachblatt 'Quantum', könnten den Einsatz von Quantentechnologie im Weltraum, insbesondere für abhörsichere Kommunikation, ermöglichen.