ME/CFS in Österreich: Bis zu 80.000 Betroffene und keine Behandlung
ME/CFS ist Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom. Wer daran leidet, ist nicht "müde" im herkömmlichen Sinn, sondern schwer krank.
In Österreich sind zwischen 26.000 und 80.000 Menschen von ME/CFS betroffen. Ein Großteil ist nicht richtig diagnostiziert, dadurch würde den Eindruck verstärkt, dass die Krankheit selten sei, so die österreichische Gesellschaft für ME/CFS. Laut World Health Organisation (WHO) sind in Europa mindestens 17 Millionen Menschen betroffen, es brauche dringend "mehr Analysen, mehr Investitionen, mehr Unterstützung und mehr Solidarität mit Betroffenen".
Frauen und junge Menschen
Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. ME/CFS tritt vor allem bei jungen Menschen auf: Der Krankheitsbeginn liegt oft zwischen 10 und 19 oder 30 und 39 Jahren.
Erkrankungen wie ME/CFS nennt man "postviral", sie können nach bakteriellen oder viralen Infektionen auftreten. Auslöser können zum Beispiel das Coronavirus oder das Epstein-Barr-Virus sein (EBV, das Virus löst Pfeiffersches Drüsenfieber aus). Aber auch Operationen, Traumata oder hormonelle Veränderungen können zu Beginn der Krankheitsgeschichte stehen. Die "eine" Ursache gibt es oft nicht.
Zuletzt sprach sich Gesundheitsminister Rauch im Gesundheitsausschuss des Nationalrats dafür aus, die Situation für Betroffene verbessern zu wollen. Aber womit kämpfen die Betroffenen?
Psychisch oder körperlich?
Zu ME/CFS gibt es laut Interessensvertretungen wenig Forschung, aber viele Missverständnisse. Lange hielt sich das Vorurteil des psychischen Leidens. Heute ist der wissenschaftliche Konsens, dass ME/CFS eine schwere, körperliche Erkrankung ist.
Was die Behandlung betrifft, gibt es kaum Perspektiven in Österreich: Gesundheits- und Rehasystem sind auf Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nicht eingestellt. Aufbautraining kann den Zustand verschlimmern.
"Nach internationalen Studien ist die Lebensqualität der Betroffenen geringer als bei vielen anderen schweren chronischen Erkrankungen. Die Versorgungslage ist jedoch nicht ansatzweise vergleichbar. Es gibt in Österreich keine einzige öffentliche Anlaufstelle für ME/CFS", kritisierte Kevin Thonhofer, Obmann der Gesellschaft für ME/CFS.
Betroffene in Österreich sehen sich seit jeher unterversorgt. Obwohl ME/CFS ist schon lange nicht mehr "mysteriös" oder "unbekannt" ist. 1969 hat die World Health Organisation (WHO) ME/CFS klassifiziert.
Die Symptome
Hauptsymptom der Krankheit ist die sogenannte "Post Exertional Malaise" (PEM) - das heißt, es geht einem nach körperlicher Anstrengung unverhältnismäßig schlecht. Betroffene bezeichnen diesen Zusammenbruch häufig als "Crash".
ME/CFS ist eine komplexe Multi-Systemerkrankung mit einer Vielzahl schwer Symptome, unter anderem: eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Reizempfindlichkeit ("Brain Fog"), Kreislaufregulationsstörungen und vieles mehr.
In der ME/CFS-Community sind Begriffe, die angebliche Symptome beschreiben, ein großes Thema: Die Beschreibungen verharmlosen nämlich, um was es eigentlich geht. So ist die Krankheit keine "Müdigkeit" oder "Erschöpfung", die sich durch Schlafen mindern lässt. Betroffene werden häufig arbeitsunfähig oder pflegebedürftig, sie können ihr Leben nicht mehr wie vor der Erkrankung weiter führen.
Diagnose
Für die Diagnostizierung von ME/CFS oder Long Covid werden der Zeitraum seit der Erkrankung in Betracht gezogen sowie körperliche Symptome. Einen Biomarker gibt es (noch) nicht.
Von Long Covid spricht man zum Beispiel, wenn die Symptome einer Corona-Erkrankung auch drei Monate später anhalten oder neu auftreten und mindestens zwei Monate bestehen. Dauern die Symptome länger als drei Wochen an, dann wird von "Post Covid (Syndrom)" gesprochen.
Therapie?
Wer an ME/CFS leidet, hat nur ein begrenztes Energie-Budget und muss damit haushalten. "Pacing" ist dabei besonders wichtig, so die Biomedizinische Analytikerin Jennifer Blauensteiner aus Graz, auch wenn es sonst keine Behandlungsmöglichkeiten gibt. "Es ist ganz wichtig, dass die Leute nicht über ihre Grenze gehen".
Krankheitsverläufe unterscheiden sich stark, es gibt verschiedene Schweregrade der Erkrankung. Symptom-orientierte Behandlung und das Einhalten der eigenen Belastungsgrenzen können jungen Menschen helfen, bei Erwachsenen ist eine Genesung "sehr selten", so die österreichische Gesellschaft für ME/CFS.
Behandlung gibt es keine. Betroffene versuchen, in Therapien in erster Linie ihre Symptome zu lindern. ME/CFS stellt für Erkrankte eine physische, psychische und oft finanzielle Belastung dar.
Weitere Informationen:
Am 12. Mai wird in Österreich ein Aktionstag für ME/CFS begangen. An diesem Tag hatte Florence Nightingale Geburtstag, eine Vorreiterin der modernen Krankenbehandlung. Sie selbst war mehrere Jahre mit ME/CFS-ähnlichen Symptomen bettlägerig.
Mehr dazu:
Seit Long Covid in aller Munde – das ähnliche chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS. PULS 24 hat mit einer Betroffenen gesprochen.
Zusammenfassung
- Wer an ME/CFS leidet, ist schwer krank und nicht "müde".
- Bekannt ist diese Krankheit schon lange, durch die Ähnlichkeit zu Long Covid erlangte sie zuletzt mehr Aufmerksamkeit.
- Aber Behandlung gibt es keine.