APA/APA/Discover Food

Forscher schrieben Evolutionsgeschichte der "Pasta ripiena"

Sie haben immer Saison - nicht nur im Urlaub: "Pasta ripiena", wie der Sammelbegriff für gefüllte Nudeln in Italien lautet, wo sie in zahlreichen Varianten zubereitet werden. Ein Forscherteam mit Beteiligung einer Biologin der Uni Salzburg hat nun im Fachjournal "Discover Food" die Evolutionsgeschichte von Ravioli, Tortellini und Co. nachverfolgt. Demnach haben mit nur einer Ausnahme alle Teigtaschen Italiens ihren Ursprung in den nördlichen Teilen des Landes.

In ganz Italien werden in einer enormen Vielzahl an lokalen Varianten Gerichte mit gefüllten Nudeln zubereitet und serviert, die sich von Stadt zu Stadt und Region und Region oft nur geringfügig in Größe, Form, Zutaten, Zubereitungs- und Serviermethoden unterscheiden, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Vazrick Nazari vom Department für Biologie der Universität Padua in ihrer Arbeit. Sie seien unter vielen verschiedenen Namen bekannt, ihnen allen gemein sei, dass ein rohe Fülle in ein Stück dünn ausgerollten Teig gepackt und vor dem Kochen in verschiedene Formen gebracht wird.

"Um Ursprung und Evolution der Pasta ripiena mit dem Fokus auf Italien zu untersuchen, haben wir erstmals Methoden aus der Biologie verwendet, mit denen wir sonst die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen und die geographische Verbreitung von Lebewesen erforschen", erklärte Valentina Todisco vom Arbeitsbereich Biogeographie der Universität Salzburg gegenüber der APA. Für die ersten Schritte in Richtung einer wissenschaftlichen Klassifikation der gefüllten Nudeln wurden 28 verschiedene italienische "Pasta ripiena" in die Analyse aufgenommen.

Dazu zählen international bekannte Nudeln wie Ravioli oder Tortellini ebenso wie lokalen Spezialitäten wie etwa sardische Culurgiones oder Turtèl sguasaròt aus Mantua. Zusätzlich wurden auch bekannte Vertreter der großen Familie gefüllter Teigtaschen aus Europa und Asien aufgenommen, wie etwa türkische Manti, deutsche Maultaschen, polnische Pierogi, jüdische Kreplach, georgische Khinkali, chinesische Wonton oder japanische Gyoza.

Den insgesamt 37 verschiedenen gefüllten Nudeln haben die Forscher dann bestimmte, vor allem aus Rezepten stammende Merkmale zugeordnet. Für die geografische Herkunft wurde Italien in Nord-, Mittel- und Süditalien sowie Sardinien unterteilt, beim Teig unterschieden, ob dafür Weich- oder Hartweizenmehl und ob Eier verwendet werden. Weitere Eigenschaften betreffen die Nudelform und -größe, letzteres von "klein", wie etwa Tortellini, bis zu "sehr groß" wie etwa Tortelli alla lastra. Alleine für die Faltung der Nudeln wurden neun Kategorien definiert, von "einfach gefaltet und mit dem Daumen gedrückt" bis hin zu "um den Finger gewickelt". Weiters wurde unterschieden, ob die Hauptzutat der Fülle Fleisch oder Gemüse ist und ob Milchprodukte enthalten sind. Bei der Zubereitung wurde zwischen gekocht, gebraten, geröstet oder gedämpft differenziert und berücksichtigt, ob die Nudeln in Suppe oder Soße und mit Butter oder Öl serviert werden.

Mit diesen Daten und ihren Methoden konnten die Wissenschafter so den Stammbaum der "Pasta ripiena" zeichnen: Abgesehen von der Gruppe (die Forscher bezeichnen das als "Klade") der internationalen Teigtaschen-Vertreter kristallisierten sich zwei Hauptgruppen heraus: Eine ist die "Ravioli-Klade", die u.a. Ravioli, Tordelli, Schlutzkrapfen, Cjalzons und Turtèl sguasaròt umfasst und deren wichtigstes gemeinsames Merkmal ihre flache Form ist. Die zweite Hauptgruppe ist die "Tortellini-Klade", u.a. mit Tortellini, Fagottini, Tortelli, Scarpinocc, Tortelli alla lastra oder Cappelletti, die sich alle durch ihre dreidimensionale Form auszeichnen.

Weiter stellten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit ihrem Modell fest, dass alle Vertreter dieser beiden Gruppen ihren Ursprung in Norditalien haben, von wo sie sich im Laufe der Zeit in andere Regionen des Landes ausbreiteten. Die meisten Rezepte für gefüllte Nudeln würden auch aus Nord- und Mittelitalien kommen, wobei diese Häufung "wahrscheinlich mit den klimatischen Bedingungen in den verschiedenen Landesteilen und den damit verbundenen Unterschieden bei der Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Produkte" zusammenhänge. So gedeihe etwa Hartweizen in der Po-Ebene nicht, heißt es in der Studie.

Die vorgeschlagene Clusterbildung zeige, dass sich die unterschiedlichen Nudelformen in der Vergangenheit wahrscheinlich nicht so stark unterschieden. Im Laufe der Zeit habe aber jede Stadt bzw. Region danach gestrebt, ihre eigenen, unverwechselbaren Gerichte zu haben und eine Art von Pasta für sich zu beanspruchen.

Die einzige "Pasta ripiena"-Sorte, die aus dem Rahmen fällt und in der Analyse weder der Ravioli-, noch der Tortellini-Gruppe zugeordnet wurde, sind die Culurgiones. Diese gefüllten Nudeln würden aus Hartweizengrieß hergestellt und stammen aus Sardinien, das sich klimatisch, landwirtschaftlich und historisch von Nord- und Mittelitalien unterscheide.

(S E R V I C E - Internet: https://doi.org/10.1007/s44187-024-00136-1)

ribbon Zusammenfassung
  • Ein Forscherteam hat die Evolutionsgeschichte von gefüllten Nudeln ('Pasta ripiena') in Italien untersucht und die Ergebnisse im Fachjournal 'Discover Food' veröffentlicht.
  • Alle Teigtaschen Italiens, außer einer, haben ihren Ursprung in Norditalien.
  • Die Forscher analysierten 28 verschiedene italienische 'Pasta ripiena' sowie internationale Varianten wie türkische Manti und chinesische Wonton.
  • Zwei Hauptgruppen wurden identifiziert: die 'Ravioli-Klade' mit flachen Nudeln und die 'Tortellini-Klade' mit dreidimensionalen Nudeln.
  • Die einzige Ausnahme sind die Culurgiones aus Sardinien, die sich klimatisch und historisch von Nord- und Mittelitalien unterscheiden.